Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 164. Sitzung / 55

Noch eines möchte ich dazu sagen. Herr Kollege Khol – er ist jetzt leider nicht da – hat heute sinngemäß gesagt, daß das Gemeinwohl vor Brutal-Kapitalismus geht. – Dazu kann man stehen, wie man will. Ich hätte mir aber gewünscht, daß ähnlich klare Worte gefunden werden, wenn wirklich ein gewisser Bedarf danach besteht. Als zum Beispiel eine Firma wie Waagner-Biró gekauft und ausgeschlachtet wurde und die Arbeitnehmer auf der Straße standen, da habe ich kein Wort über den Brutal-Kapitalismus, der dort herrscht, gehört. Da bestand anscheinend keinerlei Bedarf, mit Verfassungsgesetzen hineinzufahren – aus guten Gründen, das nehme ich schon an. Aber Sie hätten das wenigstens kommentieren können!

Ganz zu schweigen von der alten Frage, wie Frauen die Berufsarbeit mit der Familie vereinbaren können oder was mit den alleinerziehenden Müttern und der Erhöhung des Karenzgeldes ist. Da wird nie von Brutal-Kapitalismus gesprochen! Da höre ich das nie!

Aber im Zusammenhang mit einer Benzinpreiserhöhung von 20 oder 30 Groschen fällt Ihnen plötzlich der Brutal-Kapitalismus ein? In welcher Welt leben Sie denn?! – Danke. (Beifall bei den Grünen.)

11.46

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Jetzt hat sich Herr Bundesminister Farnleitner zu Wort gemeldet. – Bitte, Herr Bundesminister.

11.46

Bundesminister für wirtschaftliche Angelegenheiten Dr. Hannes Farnleitner: Herr Präsident! Hohes Haus! Die Benzin- und Treibstoffpreisauseinandersetzung der letzten Jahre war von einem einfachen Ritual geprägt. Es hat irgend jemand angeprangert, daß die Preise zu hoch sind. Dies haben auch Organisationen getan, die vor dem Kartellgericht hätten klagen oder nach dem Preisgesetz hätten Anträge einbringen können. Das ist aber nicht geschehen.

Einen Minister mit keinen Möglichkeiten auszustatten, außer, ihm die Verantwortung zuzuordnen, ist zuwenig. Ich kann nur wiederholt erklären, daß nach § 5 des geltenden Preisgesetzes der Minister keine Möglichkeit zum Einschreiten hat, wenn kein Antrag gestellt wird.

Ein solcher Antrag ist jahrelang nicht gestellt worden. Wann immer ich, seit ich Minister bin, gefragt habe, was gewollt wird, hat es stets geheißen: Transparenzmodelle. Wir haben die vom ARBÖ angegebenen Preise publiziert, wir haben die Preise bei uns publiziert. (Abg. Dr. Petrovic: Das ist wirklich lächerlich, Herr Bundesminister! Sie haben ... !) – Ich bin gerne bereit, über den Rechtssachverhalt mit der Frau Abgeordneten Petrovic ein Privatseminar abzuhalten, denn im Preisrecht kenne ich mich aus, das können Sie annehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Der zweite Punkt: Für den Fall, daß es keinen direkten Zugriff gibt, habe ich ohne Antrag veranlaßt, daß im September 1997 die Puwein-Studie in Angriff genommen wurde. Daß sie erst später fertig geworden ist, hängt damit zusammen, daß wir – im Einvernehmen mit allen am Preisverfahren Beteiligten – ein sehr eindeutiges Bedarfsprofil gegeben haben.

Da aber die Angriffe weitergegangen sind, habe ich im letzten Ministerrat erklärt, daß ich es leid bin, ständig für etwas angegriffen zu werden, wofür mir der Gesetzgeber kein adäquates Instrument in die Hand gibt. Ich persönlich bin sehr froh darüber, daß mit diesem Zustand endlich Schluß gemacht worden ist. Denn mir ständig zu unterstellen, ich schütze eine Oligopolsituation oder eine Hochpreissituation, ohne mir eine Möglichkeit zu geben, zu intervenieren – da kann ich von politischer Verantwortung nur träumen! Ich bin daher froh darüber, Ihnen, wenn Sie mir im Hohen Haus eine Möglichkeit geben, beweisen zu können, daß wir sehr wohl wissen, was auf diesem Markt gespielt wird. (Beifall bei der ÖVP.)

In Österreich wissen alle Instanzen seit Jahren, daß wir in diesem Land, weil es nur eine Raffinerie und einen AWP-Vertrag – worin die meisten Majors quasi als Miteigentümer, Mitnutzer und Mitkunden involviert sind – gibt, eine der kompliziertesten wettbewerbsrechtlichen Konstruktionen haben, die die Literatur kennt, nämlich ein Oligopol mit Preisführerschaft eines Teilnehmers.


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