Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 164. Sitzung / 102

Präsident Dr. Heinz Fischer: Hohes Haus! Ich unterbreche jetzt die Verhandlungen über die Punkte 3 bis 6 der heutigen Tagesordnung. Wir werden, so wie das in der Geschäftsordnung vorgeschrieben ist, mit der Beratung der Dringlichen Anfrage beginnen.

Dringliche Anfrage

der Abgeordneten Dr. Alexander Van der Bellen und Genossen an den Bundesminister für Finanzen betreffend: Wo bleibt die Steuerreform? (5995/J)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich gelange also zur dringlichen Behandlung der schriftlichen Anfrage 5995/J des Abgeordneten Van der Bellen. Da diese Dringliche Anfrage inzwischen allen Abgeordneten zugegangen ist, erübrigt sich eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Finanzminister Edlinger verkündete am 23.3.1999, daß die drei grundsätzlichen Zielsetzungen der Steuerreform – eine spürbare Tarifsenkung, eine großzügige Familienförderung sowie Maßnahmen für Beschäftigung und den Wirtschaftsstandort – ‚in aller Klarheit erreicht worden seien‘ (OTS0187, 23.3.1999). Offensichtlich will sich keiner der Verhandlungspartner an die seit Jahren angekündigten Zielvorgaben für die große Steuerreform 2000 erinnern. Versprochen wurde tatsächlich eine Strukturreform – wie die nachfolgenden Zitate bestätigen.

Zum Thema Steuerreform meinte der damalige Finanzminister Klima am 15.11.1996: ‚Schwerpunkte liegen bei einer Ökologisierung des Steuersystems und bei einer Verbreiterung der Steuerbasis, etwa durch die Beseitigung von Ausnahmen und Schlupflöchern nach dem Motto `Steuern einheben statt anheben`.‘ (OTS 0072,15.11.1996)

Finanzminister Edlinger wollte bei der für 1999 geplanten Steuerreform Maßnahmen zur Entlastung der Arbeit und dafür zur Belastung von Energie und Wertschöpfung setzen. ‚Der Faktor Arbeit muß steuerlich entlastet werden, aber das Steueraufkommen insgesamt darf nicht kleiner werden, sonst degeneriert der Staat zum Nachtwächterstaat.‘ Die Steuereinnahmen müßten vor allem in die Bereiche Energie, Wertschöpfung und Kapital umgeschichtet werden. Der steuerliche Faktor trifft die Arbeit mehr als das Kapital. ‚Das ist weder dogmatisch noch klassenkämpferisch‘, so Edlinger am 13.2.1997 (APA 0652).

Als Zielsetzung für die Steuerreform nannte Edlinger, den Faktor Arbeit billiger zu machen und den Ausfall durch eine Ökologisierung wettzumachen. Diskutieren müsse man auch über die höhere Besteuerung der arbeitslosen Kapitalgewinne, die nicht investiert werden – so Edlinger in der Pressestunde vom 2. März 1997 (APA0156).

‚Wir müssen den Faktor Arbeit von Steuer, Lohnnebenkosten entlasten, um international konkurrenzfähig zu sein. Auf der anderen Seite gilt es, im Bereich der Ökologisierung des Steuersystems Einnahmen zu erschließen‘, so Edlinger in der ZiB 2 im Juli 1997 (APA 0578, 11.7.1997).

Sein Gewicht als Finanzminister wollte Edlinger jedenfalls auch für die Umwelt einsetzen: Die Steuerreformkommission werde die Ökologisierung des Systems mit beachten. Der Faktor Arbeit sei in den letzten zehn Jahren um zehn Prozentpunkte teurer geworden, während sich die Belastung des Kapitals um sieben Prozentpunkte vermindert habe. Die Steuerreformkommission habe das konkrete Ziel, ein in allen Facetten neues Steuermodell zu entwickeln – so Edlinger bei der Tagung ‚Umweltaktivitäten der Weltbank‘ im Dezember 1997 (APA 0257, 15.12.1997).

Finanzminister Edlinger will die Steuerreform 2000 nicht ausschließlich danach bewertet wissen, in welchem Maß sie Tarifsenkungen bringt, sondern danach, in welchem Maß sie Strukturen vereinfacht, Ungerechtigkeiten beseitigt, den Standort Österreich fördert und zur sozialen Ausgewogenheit beiträgt. (APA 0584, 4.5.1998)


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