Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 164. Sitzung / 106

Präsident Dr. Heinz Fischer: Als erstem Fragesteller erteile ich Herrn Abgeordneten Professor Dr. Van der Bellen zur Begründung der Dringlichen Anfrage das Wort. Die Begründung darf 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.01

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Staatssekretär! Meine Damen und Herren! Es fällt uns angesichts der Ereignisse im Kosovo und der Luftangriffe der NATO natürlich schwer, uns jetzt auf eine innenpolitisch wichtige Frage zu konzentrieren, ich möchte Sie aber bitten: Versuchen wir es trotzdem!

Das Thema dieser Dringlichen Anfrage, wie wir sie vorbereitet haben, hieß ursprünglich "Die Steuerreform 2000", doch dann stellten wir fest, daß es gar keine Steuerreform 2000 gibt. Wo ist sie denn? Die geplante Steuerreform hätte nämlich andere Maßnahmen vorgesehen. Sie hätte eine Entlastung der Arbeit zu Lasten des Kapitals vorgesehen. Sie hätte den Einstieg in eine ökosoziale Steuerreform mit gleichzeitiger Entlastung der Wirtschaft von Lohnsummenabgaben und mit Entlastung der Privathaushalte über die Lohn- beziehungsweise Einkommensteuer vorgesehen. Eine Steuerreform 2000 hätte mehr steuerliche Gerechtigkeit vorgesehen. Sie hätte eine Vereinfachung des Steuersystems vorgesehen. Sie hätte schließlich eine Beachtung der Defizitgrenzen, denen wir nun einmal gegenüberstehen, vorgesehen. Es war vorgesehen, daß die Steuerreformkommission nicht einfach für den Papierkorb arbeitet, sondern daß deren Arbeitsergebnisse beachtet werden.

Meine Damen und Herren! Keines der angestrebten Ziele, aber auch nicht eines ist verwirklicht beziehungsweise beachtet worden. Wir haben jetzt ein Papier vor uns, das aus einer Tarifkorrektur im Rahmen der Lohn- und Einkommensteuer und einem Dutzend oder anderthalb Dutzend punktueller Änderungen im Bereich der Lohn- und Einkommensteuer besteht.

Jetzt können Sie mich natürlich fragen: Ist das nicht unfair, was sind das für Ziele, die für die Steuerreform 2000 vorgegeben wurden, sind das die der Grünen oder die der Liberalen? (Abg. Mag. Peter: Nein!) – Nein; danke, Herr Kollege Peter. Sie finden in unserer schriftlichen Dringlichen Anfrage verschiedene Zitate aus der Vergangenheit, was denn nun die Steuerreform 2000 hätte bringen sollen. Ich führe nur ein oder zwei davon an.

Finanzminister Edlinger will die Steuerreform 2000 nicht ausschließlich danach bewertet wissen, in welchem Maß sie Tarifsenkungen bringt, sondern danach, in welchem Maß sie Strukturen vereinfacht, Ungerechtigkeiten beseitigt, den Standort Österreich fördert und zur sozialen Ausgewogenheit beiträgt. – So hieß es im Mai 1998.

Generell sei es für ihn – nämlich Finanzminister Edlinger – wichtig klarzustellen, daß der Ertrag aus einem ersten Schritt der Ökologisierung der Steuern dazu verwendet werden müsse, um im Bereich der Lohnnebenkosten Verbilligungen zu machen. – So im Oktober 1998.

Auch die Steuerreformkommission hat die Frage der Lohnsummenabgaben zu einem ihrer zentralen Themen gemacht, und das nicht zufällig. Es gibt inzwischen genug Untersuchungen darüber, wie speziell diese Abgaben den Arbeitsmarkt belasten und auf dem Arbeitsmarkt speziell die Situation der Bezieher von kleinen und mittleren Einkommen. Deswegen sagte die Steuerreformkommission: Auch für Österreich ist eine Lösung in diesem Bereich aufgrund seiner Steuerstruktur besonders dringend. Daher ist auch die Entlastung der Steuern auf Arbeitskosten und damit der lohnsummenabhängigen Abgaben ein Schwerpunkt der Steuerreform 2000. – Das war eine der Aussagen der Steuerreformkommission.

Meine Damen und Herren! Ähnliches findet sich auch im Nationalen Aktionsplan für Beschäftigung, in dem ebenfalls als wichtiges nationales Ziel auf eine Reduktion dieser Abgaben hingewiesen wird.

Das jetzt vorliegende Papier bleibt alle Antworten auf diese zentrale steuerpolitische Herausforderung schuldig! Insbesondere im Bereich der Lohnsummenabgaben ist es enttäuschend, daß die beiden Regierungsparteien sich nicht getraut haben, da irgend etwas weiterzubringen – mit


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