Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 165. Sitzung / 111

1. Die Bundesregierung wird – ihrer verfassungsmäßigen Verpflichtung entsprechend – aufgefordert, Dokumente und Vorhaben der EU, die sich auf die Lage in Kosovo beziehen, unverzüglich dem Nationalrat zu übermitteln.

2. Die Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, es zu unterlassen, im Rahmen der EU oder anderer internationaler Organisationen völkerrechtswidrige Angriffe gutzuheißen.

3. Die Mitglieder der Bundesregierung werden aufgefordert, an keinen Feierlichkeiten aus Anlaß des 50jährigen Bestehens des NATO-Militärpaktes – wie zum Beispiel an dem an diesem Wochenende in Washington geplanten Treffen – teilzunehmen.

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Lassen Sie mich, bevor ich auf diesen Antrag eingehe – ich werde das am Schluß meines Redebeitrages tun –, zunächst auf einiges antworten, was im Lauf der jetzigen Debatte gesagt und eingebracht wurde. Viele haben hier geschildert, was alles unterlassen, was versäumt worden ist, und die Frage gestellt, ob wirklich alle Spielräume ausgenutzt, jedes Stadium der Verhandlung auch entsprechend und adäquat genutzt worden ist, um zu einer anderen Lösung zu kommen.

Das zu tun, bedeutet nicht unbedingt – obwohl es vielleicht auf den ersten Blick so erscheinen mag –, jetzt und hier recht zu haben und im nachhinein zu sagen, hätten wir doch damals das oder das gemacht, sondern es steht meiner Überzeugung nach Politikerinnen und Politikern sehr wohl zu, die Ursachen zu erforschen, indem man die Entwicklungen auch im nachhinein noch einmal sehr kritisch betrachtet. Man muß sich dabei aber immer wieder vor Augen halten, daß es um zwei Dinge geht: Es geht um einen Waffenstillstand, und es geht um Hilfe für Flüchtlinge, also für jene Menschen, denen unsagbares Leid angetan worden ist und immer noch angetan wird. (Beifall bei den Grünen.)

Zurückkommend auf die Frage, ob wirklich alle Spielräume ausgenutzt und jede Verhandlungsmöglichkeit genutzt worden ist, muß ich zunächst einmal festlegen, um wie viele Jahre wir bei dieser Betrachtung zurückgehen sollen. Wir könnten wahrscheinlich nicht nur Jahre, sondern sogar Jahrzehnte zurückgehen. Ich möchte es trotzdem einmal zunächst dabei belassen, um zehn Jahre zurückzugehen und die Jahre 1989 bis 1991 einmal genauer zu betrachten. In dieser Zeit, nämlich von 1989 bis 1991, hat es in der damaligen Bundesrepublik Jugoslawien gravierende Umstellungen wirtschaftspolitischer Art gegeben. Die Weltbank und der IWF haben massiv in die Wirtschaftsstruktur und in die politische Entscheidungsstruktur des Landes eingegriffen und vor allem – und das ist schon mit eine der Ursachen – damit begonnen, massiv Schulden, die die Bundesrepublik Jugoslawien noch aus früheren Zeiten hatte, anzurechnen, und haben wie mit der Rute im Fenster damit gedroht.

Das war meines Erachtens der Beginn der zunehmend nationalistisch ausgerichteten Politik von Milošević als seiner Ansicht nach sozusagen einzigen Möglichkeit eines politischen Rettungsversuches, nämlich sich selbst als Staatschef an der Macht zu halten. Die Folgen sind bekannt; ich will sie hier gar nicht des langen und breiten wiederholen. Die Folge war die Aberkennung der Autonomie des Kosovo und der Vojvodina, die Folge war eine zunehmende Nationalisierung in der Politik von Milošević und damit in weiterer Folge auch der Bundesrepublik Jugoslawiens. Es kam zum Zerfall! Wir kennen die Situation.

Es kam zu einem weiteren schweren Fehler des Westens beziehungsweise einer Reihe westlicher Staaten – darunter auch Österreichs mit seiner Vorreiterrolle; ein meines Erachtens schwerer Fehler –, nämlich zur Anerkennung der verschiedenen Teilrepubliken als eigenständige souveräne Staaten, und damit auch zur De-facto-Anerkennung, daß Jugoslawien in seine verschiedenen Teilrepubliken zerfällt und daß dem nun so ist, und zwar ungeachtet dessen, welche Probleme auf diese Teilrepubliken nun zukommen werden, nicht nur, wie wir das nachher gleich sehen konnten, auf Bosnien-Herzegowina, sondern eben auch auf den Kosovo.


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