Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 165. Sitzung / 112

Der nächste Fehler wurde bereits von einem meiner Vorredner genannt: 1995, Friedensvertrag von Dayton, die De-facto-Anerkennung – also wieder eine De-facto-Anerkennung – der Souveränität der Bundesrepublik Jugoslawiens, durch die Milošević praktisch direkt das Signal vermittelt wurde, daß ihm die Lösung des Kosovo-Konfliktes überlassen wird.

Im Jahre 1998 kam es zum Ausbruch der militärischen Auseinandersetzungen zwischen Polizei, Militär und UÇK im Kosovo. Was machen die westlichen Alliierten? – Sie zwingen in offensichtlicher Unkenntnis der politischen Situation vor Ort Rugova dazu, zu Verhandlungen nach Belgrad zu fahren. Er wird dort lächerlich gemacht. Es ist nicht mehr als ein Fototermin, und de facto ist das intern, in der inneralbanischen Auseinandersetzung, die Einleitung seiner Entmachtung und der Beginn dessen, daß er nicht mehr die frühere politische Resonanz hat. Jahre vorher ist es unterlassen worden, Rugova und seinen gewaltfreien Kurs zu unterstützen. All das ist heute bereits aufgezählt worden. (Präsident Dr. Fischer übernimmt den Vorsitz.)

Es geht weiter: Im Oktober 1998 fährt Holbrooke zu Milošević. Und was erkennt er im Gespräch mit Milošević an? – Er anerkennt einmal mehr die territoriale Integrität der Bundesrepublik Jugoslawien. Einmal mehr wird etwas festgelegt, das Milošević gar nicht geglaubt hat, haben zu können, nämlich die absolute, uneingeschränkte Herrschaft über das gesamte Staatsgebiet. Wir müssen all diese Spielräume genau anschauen, denn verschiedene meiner Kolleginnen und Kollegen haben von diesem Rednerpult aus behauptet, es sei alles gemacht worden, es sei alles versucht worden, aber es habe eben zu keinem Ergebnis geführt.

Ich kann aufgrund der Kürze meiner Redezeit jetzt nicht auf Rambouillet eingehen, auch nicht darauf, daß Friedensverhandlungen unter einem derart dramatischen Zeithorizont angesetzt wurden, daß von vornherein klar war, daß es dabei zu keinen wirklichen Friedensverhandlungen und zu keinem Ergebnis kommen würde. Sehr wohl aber ist, bevor wir anfangen, darüber zu resümieren, ob es noch irgendwelche anderen Möglichkeiten gegeben hätte, auf die Rolle, die die Amerikaner dort gespielt haben, und die Rolle, die damit auch der NATO eingeräumt worden ist, einzugehen.

Wir haben leider nie den gesamten Vertrag von Rambouillet bekommen, aber interessanterweise hat es – und das erfahren Sie, wenn Sie ausländische Zeitungen lesen – zu diesem Vertrag auch einen Annex gegeben. Da geht es nicht nur um die Stationierung der NATO-Truppen im Kosovo, was an und für sich schon ein unzumutbarer Zustand für jeden souveränen Staat ist, sondern da geht es darum, daß diesen Truppen auch noch so etwas wie eine Immunität eingeräumt worden wäre, vor allem den Militärbeobachtern und vor allem den sozusagen Führenden dieser Militäraktion. Das hätte geheißen, daß sich diese Personen völlig frei im gesamten Bundesgebiet hätten bewegen können. Das zeigt schon eine besondere Unsensibilität auf, und das nach einer Situation, wie wir sie gerade durch eine UNO-Mission im Irak erlebt haben, wo sich herausgestellt hat, daß diese Mission für Spionagetätigkeit mißbraucht wurde. Und solches wird nun der Bundesrepublik Jugoslawien zugemutet.

Es gibt sehr viele Stationen, die deutlich machen, was alles versäumt wurde und was alles nicht getan wurde. Und es ist meiner Meinung nach überhaupt nicht zulässig, hier am Rednerpult zu sagen, daß es keine andere Möglichkeit gegeben hätte, daß es keine andere Möglichkeit als die der NATO-Bombardements gibt. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist auch erwähnt worden – und ich muß das noch einmal streifen und betonen –, daß diese Bombardements ihren Zweck nicht erreichen, daß sie Menschenleben nicht haben schützen können. Es hat dies eine ungeheure Dynamik in die Verfolgungen, in die Vertreibungen, in die Ermordungen hineingebracht, sodaß es fast unmöglich ist, noch irgendwie eingreifen zu können, sodaß es fast aussichtslos erscheint, noch Waffenstillstandsverhandlungen führen zu können.

Ich warne Sie, meine Kolleginnen und Kollegen, ich warne Sie davor, hier vom Rednerpult aus von Milošević als einem Massenmörder zu sprechen, denn mit wem werden Sie, mit wem wird die Völkergemeinschaft denn irgendwann einmal Verhandlungen führen? Welche Alternative haben Sie denn in Serbien? Welche Alternative haben Sie in der Bundesrepublik Jugoslawien? Es wird natürlich Milošević sein!


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