Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 165. Sitzung / 116

jetzt keine Zeit. Es geht jetzt darum, zu überlegen, wie man das Morden möglichst schnell beenden kann.

Wir befinden uns dabei – das sei eingestanden – in einem großen Dilemma: Auf der einen Seite ist der normale Mitteleuropäer nicht geneigt, Gewalt im großen Ausmaß anzuwenden, und ist erschrocken über die Bombardements, auf der anderen Seite stellt sich für alle die Frage: Was sollen wir sonst tun?, denn der Ermordung und Vertreibung zuzusehen, scheint auch keine Lösung zu sein.

Der Kanzler hat jedenfalls für sich und für die SPÖ einen zu einfachen Weg gefunden: Einsatz schärfster Maßnahmen notwendig und gerechtfertigt, wurde in Berlin beschlossen. Bei uns spricht er dann schon nur noch in der österreichischen Variante von: Alle Staaten haben Verständnis gezeigt! – Wenn schärfste Maßnahmen notwendig und gerechtfertigt sind, muß man den Herrn Kanzler oder seinen ständigen Vertreter, der hier auf der Regierungsbank sitzt, fragen: Wo sind denn die österreichischen Unterstützungen dafür, wenn man zum Beispiel ein Flugverbot erteilt? Er spricht als Ersatz dafür von einer aktiven Neutralitätspolitik. Als er gestern auf der Pressekonferenz gefragt wurde, wie man mit dieser aktiven Neutralitätspolitik den Bosniern in den Wäldern helfen will, hat er recht unwirsch geantwortet und mehr oder weniger nichts gesagt. Er hat deswegen nichts gesagt, weil er nicht weiß, wie man es tun soll, weil das eine leere Phrase ist, nur Schall und Rauch. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Indem man Konferenzsäle in Österreich anbietet, betreibt man keine Neutralitätspolitik. Beim Herrn Milošević kommen Sie damit sicher nicht weiter.

Es würde auch nicht genügen, den Herrn Milošević zu entfernen. Das zu glauben, ist auch ein Irrtum, denn wir haben hier die serbischen Oppositionspolitiker gehabt, und sie haben auf meine Frage ganz klar und deutlich gesagt, keiner von ihnen wäre bereit, den Kosovo aufzugeben oder ihm auch nur das Statut von vor 1983 zurückzugeben. Das ist eine Meinung des serbischen Volkes, und wer sich einredet, er müsse dort nur gegen Milošević Krieg führen, beschönigt die Tatsache. Es muß gegen Serbien Krieg geführt werden, und das Problem wird nicht gelöst, wenn man Milošević beseitigt, sondern erst dann, wenn die Serben dazu gezwungen sind, und es wird nur verbunden mit Leid und Trauer und Schmerzen möglich sein, Herrn Milošević mit dem ”nassen Fetzen" aus Belgrad hinauszutreiben.

Vorher wird es keine Lösung geben. Das klingt alles hart, aber das sind die Realitäten, und es ist nicht Schall und Rauch, was hier gesagt wird, meine Damen und Herren.

Worauf ich noch eingehen möchte, sind die Auswirkungen des Konfliktes auf Europa. In Deutschland, in Italien wackeln die Regierungen, und auch bei uns gibt es keine übertriebene Einigkeit. Auch bei uns ist der Moment der Wahrheit gekommen. Wie hältst du es mit der Neutralität?, lautet wieder einmal die Gewissensfrage in der Koalition. Aber im Kosovo-Konflikt kann man nicht neutral sein, sagt der Vizekanzler. Der Kanzler aber scheint anderer Meinung zu sein, wenn es zur Nagelprobe kommt. Der Klubobmann der ÖVP stellt die Neutralität wieder einmal in das Tabernakel und schafft das Kunststück, im Liegen noch einmal hinzufallen. Und wäre es möglich, müßte man sagen, die ÖVP hat sich mit Ihrer Aussage, Herr Kollege Khol, wirklich lächerlich gemacht. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Die SPÖ will die Quadratur des Kreises: Ihr Klubobmann verkündet mit vor Erregung bebender Stimme, daß alle Neutralitätsverpflichtungen auf Strich und Beistrich eingehalten werden, während gleichzeitig die NATO-Flugzeuge über Österreich fliegen. Nur für SFOR gilt das nicht. Aber hat der Herr Kollege Kostelka nicht gemerkt, daß sich seit Beginn des Krieges da unten die Flüge für SFOR vervielfacht haben? Er müßte doch bloß bei der Austro-Control rückfragen, dann würde er es wissen. Der Kanzler – in seiner Vorbereitungsreise zum Jubiläum der NATO – dürfte auch vergessen haben, daß gleichzeitig österreichische Soldaten der NATO in Albanien unterstellt werden.

Wie steht es also mit dem Einhalten auf Punkt und Beistrich? – Kollege Cap hat im Hauptausschuß festgestellt, als ich auf dieses Rechtsproblem hinwies, daß man in solchen Situationen das Recht nicht zu genau nehmen könne. Vielleicht, Herr Kollege, aber Ihr Kanzler


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