Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 166. Sitzung / 83

Parlament die bislang sehr geringe konkrete Bewegung der Mitgliedstaaten der Europäischen Union in der Steuerfrage, die ich für sehr wichtig halte, beklagen und so tun, als ob die österreichische Bundesregierung Versäumnisse verschuldet hätte. Ich glaube, das ist eine Fehleinschätzung unserer Position. (Abg. Böhacker: Nein! Das habe ich nicht gesagt! Europas Versäumnisse sind das!)

Dann wäre es fair gewesen, sehr geehrter Herr Böhacker, wenn Sie hier in diesem Hause auch die Bemühungen der österreichischen Bundesregierung und des zuständigen Ministers, der während der österreichischen Präsidentschaft die Steuerdiskussion auch auf politischer Ebene aktualisiert hat, erwähnt hätten. (Abg. Gaugg: Das geht nicht! – Abg. Böhacker: Das machen eh Sie selber!) Denn dafür, zu erkennen, daß man sich möglicherweise mit einer Meinung in der Minderheit befindet oder sich nicht durchsetzt, müßten Sie eigentlich ein besseres Feeling haben als ich. Aber ich bin sehr beharrlich, wenn es darum geht, an und für sich richtige und gescheite Grundsätze durchzusetzen.

Ich sage Ihnen ganz offen und ehrlich auch folgendes: Wenn wir wollen, daß diese Europäische Union das wird, was wir alle brauchen, nämlich ein lebendiger und harmonischer Wirtschaftsraum, der in allen Facetten seiner Geographie jene Kraft entwickelt, die wir nicht nur zur Belebung des Binnenmarktes, sondern auch dafür brauchen, um in der weltweiten Globalisierung und im Wettbewerb mit anderen großen Wirtschaftsräumen bestehen zu können, dann ist es sicher zunächst wichtig, daß es uns gelungen ist, daß elf Länder dieser Europäischen Union ihre Budgets so strukturieren konnten, daß sie nun in der Lage sind, eine Währungsunion zu bilden. Es bedeutete nämlich eine große Irritation des Wirtschaftsraumes, daß wir von Zeit zu Zeit gewaltige volkswirtschaftliche Volumina aufwenden mußten, um Währungsturbulenzen auszugleichen. Die österreichische Volkswirtschaft kosteten beispielsweise die Währungsturbulenzen in Italien im Jahre 1995 rund 1 Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Das gehört nun der Vergangenheit an, und ich bin stolz darauf, daß ich daran mitwirken konnte, dieses Stadium zu erreichen, meine sehr verehrten Damen und Herren. (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der ÖVP.)

Ich habe aber – und damit komme ich durchaus in die Nähe von Argumenten, die auch hier vorgebracht worden sind – nie einen Zweifel daran gelassen, daß der Euro für mich nicht das Ziel der Europäischen Union ist. Das Ziel der Europäischen Union ist ein anderes, der Euro ist ein Weg, er ist ein Weg, der dazu geeignet ist, manche Ziele der gemeinsamen europäischen Politik besser und rascher verwirklichen zu können, und dazu gehört eben die Steuerpolitik! Es ist überhaupt keine Frage, daß das Problem des Verhaltenskodex und der Ortung von unredlichen Steuerwettbewerbssituationen in der Europäischen Union gar nicht so einfach ist.

Die englische Staatssekretärin Primarola, die den Vorsitz in dieser Kommission innehat, hat erst am vergangenen Wochenende in Dresden beim informellen ECOFIN das Volumen der wechselweise als schädlich eingestuften Situationen quantifiziert. Die Arbeitsgruppe für den Verhaltenskodex hat nun über 300 Fallbeispiele innerhalb der Europäischen Union definiert, die – noch nicht akkordiert – zumindest untersucht werden müssen, ob sie den Tatbestand des unredlichen Steuerwettbewerbes darstellen.

Es ist halt leicht, das zu fordern, aber ungeheuer schwierig, dann konkret solche Situationen zu orten und faktisch auch Strategien zu entwickeln, um diesen schädlichen Steuerwettbewerb auszuschalten. (Abg. Böhacker: Gibt es da schon eine Definition der Größenordnung dieser 300 Fallbeispiele?) Nein, denn darum geht es ja auch gar nicht! Das kann man nicht definieren. Wenn ich heute beispielsweise in irgendeiner Region – ich nenne jetzt kein Land, damit ich nicht mißverstanden werde – Unternehmungen für Investitionen anwerbe ... (Abg. Böhacker: Mit 10 Prozent KöSt!) – Das ist ja ein hanebüchenes Fallbeispiel, wenn Sie vielleicht meinen, die Iren hätten die Absicht, die KöSt auf 10 Prozent zu senken. Nein, so geht das doch gar nicht! Es geht vielmehr darum, daß durch gar nicht so leicht sichtbare Freundlichkeiten gegenüber einem Investor die Wettbewerbssituation so verändert wird, daß er von einem Land in das andere zieht, weil er dort etwa eine Zeitlang keine Kanalgebühr, keine Grunderwerbssteuer, vielleicht auch keine Kommunalabgaben zahlen muß und und und. Das ist sehr schwer zu definieren, und es ist ganz schwierig, Strategien dagegen zu entwickeln!


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite