Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 168. Sitzung / 19

So besteht auch kein Bedürfnis an einer wirklichen Aufklärung polizeilicher Übergriffe. Rechtswidriges Verhalten wird bis in die höchste Ebene gedeckt. Der Minister wird nur halb oder gar nicht informiert. Zeugen und Betroffene werden mit Anzeigen wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt bzw Verleumdung mundtot gemacht. Die Justiz spielt in der Regel mit.

Aber selbst bei einer strafrechtlichen Verurteilung ist durch das bestehende Disziplinarrecht sichergestellt, dass den Beamten nichts passiert; allenfalls müssen sie mit einer kurzfristigen Versetzung in den Innendienst rechnen. Eine (auch nur vorübergehende) Suspendierung wegen Misshandlungen kommt so gut wie nicht vor. Der gegenwärtige Fall belegt dies deutlich. Hingegen müssen die Betroffenen und Zeugen mit einer strafrechtlichen Verurteilung wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt bzw Verleumdung rechnen. Diese Praxis hat dazu geführt, dass die Polizeiübergriffe in den letzten Jahren nicht abgenommen, sondern kontinuierlich zugenommen haben. Insbesondere Personen schwarzer Hautfarbe waren in Wien in letzter Zeit mehrmals Opfer von Polizeiübergriffen, wie die folgenden Fälle belegen:

April 1997

Frau V. J. und ihr Mann N. – beide Roma – werden in ihrer Wohnung durch Polizeibeamte geschlagen, die gekommen waren, um Herrn J. zu verhaften. Die Beamten fangen sie zu schlagen an, als sie die Beamten fragte, was ihr Mann getan hätte. Beide werden rassistisch beschimpft und gefragt, wann sie denn "endlich" nach Hause fahren würden (das Ehepaar lebt seit 16 Jahren in Österreich). Die ärztliche Untersuchung ergibt bei ihr Blutergüsse an beiden Ellenbogen, dem linken Handgelenk, der rechten Hand, dem rechten Schenkel, der linken Fessel, sowie Schwellungen an Kopf, Oberkiefer und Oberlippe. Die Frau wird schließlich wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt angezeigt.

Juli 1997

Herr B. – österreichischer Staatsbürger afrikanischer Herkunft – wird im Wiener AKH wegen Knochentuberkulose stationär behandelt. Er verläßt das Spital nur für ein paar Stunden, um dringende Einkäufe zu erledigen und fährt mit der U-Bahnlinie 6. Er passiert ohne Probleme eine Polizei-Kontrolle in der U6-Station AKH, doch an der U6-Station Thalia-Straße begegnet er der nächsten. Die Beamten vermuten einen Drogendealer. Die AKH-Papiere lassen sie kalt. Er protestiert und wird beschimpft, geschlagen, und schließlich verhaftet. Es werden ihm Handfesseln angelegt; er wird wegen Erregung ungebührlichen Lärms angezeigt; Herr B. schrie, da ihm u.a. die Handfesseln sehr starke Schmerzen wegen seiner schweren Knochenerkrankung bereiteten ...

Winter 1997

Herr R. – österreichischer Staatsbürger aus Tunesien – wird vor dem Generali-Center von zwei Beamten perlustriert. Nach Überprüfung seiner Papiere wird von ihm verlangt, daß er die Hose auszieht. Er weigert sich, wird beschimpft und beleidigt, zwei vorbeikommende Freunde, die fragen, was los ist, werden ebenfalls festgenommen. Sie werden ins Kommissariat gebracht, müssen sich ausziehen, werden rassistisch beschimpft und beleidigt. Nach mehreren Stunden dürfen sie unter Drohungen gehen. Doch es bleibt nicht bei diesem einen Mal. Herr R. wandte sich im April 1997 an die Grünen mit der Bitte um Rat und Unterstützung, da er alle paar Wochen perlustriert wurde und im Kommissariat landete. Er klagte über die unmenschliche Behandlung, da er offenbar allein aufgrund des Aussehens als Drogendealer gelte.

Anfang 1998

D. A. – Professor an einem Wiener Gymnasium; österreichischer Staatsbürger – wird auf einer Fahrt zum Westbahnhof von sieben Cobra-Beamten angehalten. Er zeigt seinen österreichischen Paß; sie verlangen nach seinem alten Paß. Er hat ihn (selbstverständlich) nicht mehr und möchte deren Dienstnummern wissen. Daraufhin wird er rassistisch beschimpft und beleidigt, er wird verhaftet und zur Polizeistation zwecks Überprüfung seiner Daten geführt. Ein Beamter sagt zu ihm, er solle "kuschen", und er könne mit ihm "ohnehin alles machen, was ich will". Er wird wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt angezeigt.


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