Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 168. Sitzung / 25

46. Im Format 19/99 werden Sie mit folgender Aussage zur Abschiebepraxis zitiert: "Ja, natürlich soll man sich informieren, aber wahrscheinlich hätte ich nicht erfahren, dass es diese Missstände gibt." Bitte erklären Sie, was der Innenminister der Republik Österreich mit dieser Aussage meint?

47. Auf die Frage "Wie kommen Ihre Beamten auf solche Ideen?" – gemeint ist die Knebelpraxis – antworten Sie im Format 19/99: "Sie wurden offensichtlich mit ihrer Aufgabe alleingelassen." Sind Sie der Ansicht, dass die Spitzenbeamten Ihres Hauses, die ihre Untergebenen bei enorm schwierigen Situationen alleinlassen, sich ihren Aufgaben gewachsen gezeigt haben?

48. Im Format 19/99 werden Sie mit folgender Aussage zitiert: "Manches, was die FPÖ zur Lösung der Problematik der Schubhäftlinge gesagt hat, ist richtig. Beispielsweise, dass man nicht nur über Linienflüge abschiebt, sondern gemeinsam im EU-Verbund in Chartermaschinen." Der Generaldirektor Sika hat sich inzwischen dagegen ausgesprochen. Welche Position haben Sie zu solchen fliegenden Hafträumen?

49. Haben Sie ein Interesse daran, dass zur Aufklärung und Untersuchung der politischen und behördlichen Verantwortung des Todes von Marcus Omofuma ein parlamentarischer Untersuchungsausschuss eingesetzt wird? Wenn nein, warum nicht?

In formeller Hinsicht wird die dringliche Behandlung dieser Anfrage gemäß § 93 Abs 2 GOG verlangt."

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich darf Herrn Abgeordneten Dr. Van der Bellen als erstem Fragesteller zur Begründung seiner Anfrage das Wort erteilen. Die Redezeit darf nach § 93 Abs. 5 der Geschäftsordnung 20 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Professor Van der Bellen.

16.02

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Innenminister! Marcus Omofuma hätte heute Geburtstag. Heute wäre er 26 Jahre alt geworden. Faktum ist, daß dieser Mensch in der Obhut des Innenministeriums war und daß er, während er in dieser Obhut war, gestorben ist. Er war gefesselt, geknebelt, wie eine Mumie verschnürt, und er war in Gewahrsam und in der Obhut von drei kleinen Polizeibeamten. Gegen diese Polizeibeamten läuft ein Gerichtsverfahren. Was ist mit den anderen? Was ist mit den Mitwissern? Was ist mit den Abteilungsleitern? Was ist mit allen Dienstvorgesetzten, die Weisungen erteilt oder nicht erteilt haben? Was ist mit dem Generaldirektor für öffentliche Sicherheit, dem Chef der Fremdenpolizei? – Gegen all diese Beamten läuft unseres Wissens kein Gerichtsverfahren.

Herr Bundesminister! Die kleinen Beamten opfern, die Großen decken – das darf doch nicht Grundlage Ihrer Politik sein! (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister! Sie haben geschworen, Sie hätten von der Knebelungspraxis der Polizei nichts gewußt. Sie haben weiters erklärt – ich zitiere –: Mir haben meine Spitzenbeamten Sika und Stiedl versichert, daß sie, wie ich, nichts davon wußten. – Herr Bundesminister! Diese Versicherung Ihrer Spitzenbeamten Ihnen gegenüber steht in diametralem Widerspruch zu den Aussagen anderer Beamter und in diametralem Widerspruch zu Aussagen eben dieser Spitzenbeamten selbst.

Herr Bundesminister! Ich darf wohl davon ausgehen, daß Sie in den letzten zehn Tagen die Medienberichte ganz besonders studiert haben. Ich möchte Sie auf eine Äußerung des Chefs der Wiener Fremdenpolizei aufmerksam machen, von dem folgender Satz zitiert wird: Es ist ein ganz normaler Vorgang, daß renitent schreienden Asylanten der Mund mit Leukoplast verklebt wird. – Herr Bundesminister! Das ist also ein ganz normaler Vorgang. Aber Ihre Spitzenbeamten Sika und Stiedl versichern Ihnen gegenüber, von einem ganz normalen Vorgang nichts gewußt zu haben.


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