Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 168. Sitzung / 26

Das sind aber nicht die einzigen Meldungen. In aller Kürze: Es gibt Dutzende davon, und ich zitiere davon nur ganz wenige.

Im Polizeibericht heißt es: Die Vorgangsweise – gemeint ist natürlich die Knebelung – wurde in letzter Zeit immer wieder erfolgreich angewendet. – Das steht in der "Kronen Zeitung" vom 5. Mai. Abteilungsleiter Kovarnik hält die Verwendung von Klebebändern für gerechtfertigt! – "Standard" vom 5. Mai. Dieses Klebeband ist seit Jahren verwendet worden, sagt Josef Kleindienst, freiheitlicher Gewerkschafter, laut "Presse" vom 5. Mai. Der Beißschutz wird ganz selten angelegt. Das bestreiten wir auch nicht, sagt Peter Stiedl, Polizeipräsident, in "Format" Nr. 19. Generaldirektor Sika: Eine unübliche Maßnahme, die nur ganz selten angewendet wird! – "Zeit im Bild" vom 2. Mai. Sika räumte aber ein, daß eine solche Maßnahme bereits mehrmals angewandt wurde. – "Standard" vom 4. Mai. Sika: Selten, aber doch immer wieder wehren sich abgewiesene Asylwerber derart gegen ihre Abschiebung, daß den Beamten gar nichts anderes übrigbliebe, als sie zu fesseln und zu knebeln! – "Salzburger Nachrichten" vom 4. Mai.

Ich wiederhole: Generaldirektor Sika: Ganz selten angewandt; bereits mehrmals angewandt; den Beamten bleibt gar nichts anderes übrig.

Herr Bundesminister! Aber Ihnen gegenüber sagen Ihre Spitzenbeamten nach Ihrer eigenen Aussage, daß sie wie Sie nichts davon wußten. Darin sehen Sie keine Widersprüchlichkeit? Sie fühlen sich von Ihren Spitzenbeamten nicht auf den Arm genommen? Oder übersehen Sie, Herr Innenminister, diese Äußerungen und sagen sich: Lieber die Kleinen opfern und die Großen decken?

Herr Bundesminister! Die Knebelungspraxis ist nicht vor 14 Tagen erfunden worden und hat dann leider ganz schnell zu einer Tragödie mit tödlichem Ausgang geführt. Dem ist nicht so. Die Knebelungspraxis mußte Ihrem Hause seit mindestens sechs Jahren bekannt sein, und sie mußte vor allem Ihren Spitzenbeamten bekannt sein. Ich darf Sie an eine Anfrage der Grünen vom 17. Mai 1993 an Bundesminister Löschnak erinnern, in der auf die Knebelung eines Schwarzafrikaners hingewiesen wurde. Innenminister Löschnak hat diese Knebelung auch gar nicht dementiert, sondern diese in der Anfragebeantwortung zum Beispiel mit der sogenannten Beißgefahr durch solche Schubhäftlinge begründet.

Im November 1996 haben wir an den damaligen Innenminister Einem wiederum eine einschlägige Anfrage gerichtet, und Bundesminister Einem hat uns erwidert: Jawohl, Klebebänder kommen vor, aber nur zur Fesselung – wörtlich –, zur Knebelung dürfen Klebebänder keinesfalls verwendet werden. Das steht in der Anfragebeantwortung vom 14. Jänner 1997.

Generaldirektor Sika sagte gestern in der Sendung "Zur Sache": Ich habe beide parlamentarischen Anfragen nicht gesehen, sie sind nicht über mich gelaufen.

Niemand von uns kann das hier und heute überprüfen, aber über irgend jemanden werden diese Anfragen wohl gelaufen sein. Ich nehme nicht an, daß es üblich ist, daß die Innenminister persönlich solche Anfragen schriftlich beantworten. Über wen sind diese also gelaufen? Welche Dienstbesprechung, welches Protokoll gibt darüber Auskunft? Hat es damals, spätestens 1997, Dienstanweisungen an die Beamten gegeben? – Bundesminister für Inneres Einem sagte damals ausdrücklich, daß Knebelungen verboten seien. Nichtsdestoweniger wissen wir heute, daß sich diese Praxis fortgesetzt hat. Im übrigen stehen auch diese Tatsachen in diametralem Widerspruch zu dem, was der Generaldirektor für innere Sicherheit, der Chef der Wiener Fremdenpolizei und andere Spitzenbeamte Ihres Hauses gesagt haben, Herr Innenminister!

März 1997: Entscheidung des Unabhängigen Verwaltungssenates in der Steiermark: Die Verklebung des Mundes mit einem Klebeband ist rechtswidrig, da sie menschenverachtend erfolgt.

Braucht es noch eindeutigere Gerichtsurteile? – Diese Entscheidung ist, wie "FORMAT" berichtet, im Rechtsinformationssystem des Kanzleramtes abrufbar, und zwar nicht nur für Journalisten, möchte man meinen. Aber niemand hat davon gewußt, daß Verklebung verboten ist. Sie haben es nicht gewußt, Herr Innenminister, Ihr Generaldirektor nicht, der Chef der Fremdenpolizei nicht und andere Beamte auch nicht.


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite