Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 168. Sitzung / 28

Untersuchungsausschuß in dieser Frage einzusetzen, dann können wir gar nicht anders, als Ihnen, Herr Innenminister, das Mißtrauen auszusprechen. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Noch zum dritten Punkt, zur Aufklärungsarbeit und Reorganisation im Innenministerium selbst: Da besteht unmittelbarer Handlungsbedarf von Ihnen, Herr Bundesminister! Aber bisher haben Sie nicht einmal die drei unmittelbar betroffenen Beamten vom Dienst suspendiert, sie sind lediglich irgendwohin versetzt worden. Sie wurden nicht suspendiert, ganz zu schweigen von Ihren Spitzenbeamten, die uns jeden Tag mit unterschiedlichen und widersprüchlichen Meldungen, Aussagen und Schilderungen darüber überraschen, was denn nun wirklich passiert ist, was denn nun wirklich am Flughafen, vor dem Einsteigen passiert ist, was im Flugzeug und dann bei der Landung in Sofia passiert ist. Über all das kommen geradezu stündlich neue "Informationen" – ich setze das Wort unter Anführungszeichen – vom Innenminister beziehungsweise von seinen untergebenen Spitzenbeamten.

Ein gestern in der Sendung "Zur Sache" anwesender Rechtsanwalt, Herr Bürstmayr, hat diese Sache sehr schön auf den Punkt gebracht, indem er gesagt hat: Wenn das Innenministerium eine physische Person wäre, dann säße es angesichts dieser zahllosen einander widersprechenden Äußerungen längst in Untersuchungshaft.

Das muß man sich einmal vorstellen, daß jenes Ministerium, das für unsere Sicherheit zuständig ist, und zwar nicht nur für die Sicherheit der Spitzenbeamten und nicht nur für die Sicherheit der weißen Österreicher, sondern auch für die Sicherheit der schwarzafrikanischen Menschen, die sich gerade hier befinden, eine solche Äußerung eines Rechtsanwalts geradezu auf sich zieht. Man sollte nicht darüber lachen, sondern sich denken: Zum Teufel noch einmal, da hat er aber recht!

Herr Bundesminister! Es besteht doch offensichtlich Verabredungsgefahr und Verdunkelungsgefahr in Ihrem Ministerium. Was gedenken Sie dagegen zu tun? – Wenn Sie nichts dagegen tun, dann ist es unvermeidlich, daß ein Schatten auf die Polizei und auf Ihr Haus fällt, ein Schatten, den die Polizei als gesamtes nicht verdient hat. Das möchte ich hier ausdrücklich sagen. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Herr Bundesminister! Sie haben heute einen sogenannten Richtlinienkatalog für die neue Abschiebepraxis vorgelegt. Drei dieser Punkte scheinen mir durchaus unterstützenswert zu sein und hätten längst eingeführt werden sollen: Erstens: ein Pool von Beamten mit spezieller, insbesondere auch psychologischer Ausbildung; zweitens, daß jeder Schubhäftling kurz vor seiner Abschiebung medizinisch und psychisch untersucht werden muß, und drittens wird die Verwendung von Klebebändern selbstverständlich untersagt; das entnehme ich zumindest dem heutigen "Kurier".

Ob Helme statt Klebebändern mit der Menschenrechtskonvention vereinbar sind, das würde ich an Ihrer Stelle doch lieber einmal checken. Herr Bundesminister! Ich halte das für unwahr-scheinlich. Mit der Devise "Sturzhelm statt Klebeband" werden Sie Ihrer politischen Verantwortung nicht gerecht werden. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

Stichwort "politische Verantwortung": Herr Bundesminister! Sie haben gesagt, Sie hätten dem Bundeskanzler Ihren Rücktritt angeboten und dieser sei vom Bundeskanzler nicht angenommen worden. Damit haben Sie den Bundeskanzler in Ihre politische Verantwortung für die Zustände im Innenministerium eingebunden, und das halte ich, offen gesagt, für geschickt und auch nicht ganz ungerechtfertigt – angesichts der Tatsache, daß das Innenministerium heuer auch ein Jubiläum feiert, nämlich 50 Jahre rotes Innenministerium; die vier schwarzen Jahre von 1966 bis 1970 schon abgerechnet.

Diese 50 Jahre haben uns zuletzt den Lauschangriff und die Rasterfahndung beschert und werden uns demnächst umfassende Bespitzelungsrechte im neuen Sicherheitspolizeigesetz bescheren. Nicht beschert haben sie uns ein Selbstverständnis der Spitzenbeamten, das der Menschenrechtskonvention und den Grund- und Freiheitsrechten der Bürger in Österreich entspricht.


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