Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 168. Sitzung / 30

Ich sehe es daher als meine politische Aufgabe und moralische Verpflichtung an, alles in meiner Macht Stehende zu tun, um diesen tragischen Fall vollständig aufzuklären und Maßnahmen zu setzen, die helfen, eine Wiederholung eines derartigen Ereignisses zu verhindern. (Beifall bei der SPÖ sowie Beifall, Bravo- und Buh-Rufe von der Galerie.)

Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Ich mache die Zuschauer auf der Galerie darauf aufmerksam, daß sie nicht das Recht haben, in irgendeiner Weise in die Verhandlungen einzugreifen. (Abg. Dr. Partik-Pablé: Lassen Sie die Galerie räumen!) Ich werde auf diesem Recht bestehen, und ich mache Sie darauf aufmerksam, daß es nach der Geschäftsordnung auch Konsequenzen geben kann, wenn von der Galerie in die Verhandlungen in irgendeiner Form eingegriffen wird. Das ist nicht tolerabel!

Herr Bundesminister! Setzen Sie bitte fort!

Bundesminister für Inneres Mag. Karl Schlögl (fortsetzend): Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe mich in den letzten Tagen immer wieder gefragt, wie es zu diesem schrecklichen Vorfall kommen konnte. Ich habe mich auch gefragt, wen ein Verschulden trifft, ob es Versäumnisse gab, welche Konsequenzen gezogen werden müssen und wo vor allem meine persönliche Verantwortung liegt.

Bis vor einer Woche war es für mich unvorstellbar, daß den betroffenen Menschen bei Abschiebungen der Mund durch Klebebänder verschlossen werden könnte. Eine solche Maßnahme verstößt gegen die Menschenwürde.

Hohes Haus! An die Arbeit der österreichischen Exekutive und an ihren Umgang mit den Menschenrechten werden mit Recht hohe Anforderungen gestellt. Dieser Maßstab gilt nicht nur für den einzelnen Beamten, sondern auch für den politisch Verantwortlichen. Deshalb habe ich dem Bundeskanzler am Montag vergangener Woche als persönliche Konsequenz ernsthaft meinen Rücktritt angeboten. Bundeskanzler Viktor Klima hat mir ausdrücklich sein Vertrauen ausgesprochen. Ich setze daher meine Arbeit mit ganzer Kraft fort. (Beifall bei der SPÖ.)

Mit einem Rücktritt hätte ich mich bequem jeder weiteren Verantwortung entziehen können. Ein Rücktritt hätte freilich die offenen Fragen nicht beantwortet, weshalb beispielsweise diese drei Beamten derart reagiert haben, weshalb sich manche Menschen dermaßen gegen ihre Abschiebung wehren und welche Strukturen und Personen versagt haben, sodaß es zu diesem tragischen Todesfall gekommen ist.

Es muß in erster Linie um die Aufklärung des tragischen Todes und vor allem um die Konsequenzen und die Folgerungen für die Zukunft und nicht primär um parteipolitische Auseinandersetzungen gehen.

Meine Damen und Herren! In der öffentlichen Debatte sieht sich die österreichische Exekutive nun einer Vielzahl von Vorwürfen und Angriffen ausgesetzt. Teilweise wird ihr äußerst pauschal Rassismus, Gewaltbereitschaft und ein "leichter" Umgang mit Grundrechten vorgeworfen. Einzelne Vertreter politischer Parteien, diverser Organisationen und einzelne Kommentatoren haben von der Exekutive nahezu ein dämonisches Bild gezeichnet. – Ich weise all diese Pauschalvorwürfe mit allem Nachdruck und Ernsthaftigkeit zurück. (Beifall bei SPÖ, ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)

Die österreichische Polizei und die österreichische Gendarmerie haben durch ihre gute Arbeit in den letzten Jahrzehnten zu Recht das Vertrauen unserer Mitbürgerinnen und Mitbürger gewonnen. Daher verdienen sie es nicht, nun generell und pauschal in Mißkredit gebracht zu werden. Sowohl die Politik als auch die Gesellschaft erwarten von ihnen einen wichtigen Beitrag zur Lösung schwierigster Konflikte. Dieser Erwartungshaltung entspricht die Exekutive meiner Meinung nach in hohem Maße. (Beifall bei SPÖ und ÖVP.)

Gegen konkrete Mißstände oder Fehler muß jedoch mit aller Konsequenz vorgegangen werden. Da darf es nicht zu falsch verstandenem Korpsgeist, zu Beschönigungen oder Rechtfertigungen kommen, denn dadurch könnte das stabile Vertrauensverhältnis der Öffentlichkeit in den


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