Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 169. Sitzung / 79

Wer daher von einer aktiven Neutralitätspolitik das Heil erwartet, begeht zwei Fehler: Er isoliert Österreich innerhalb der Europäischen Union, und er isoliert Österreich innerhalb jener Staaten in der EU, die nicht der NATO angehören. (Beifall bei der ÖVP.)

Was meine ich weiters? (Zwischenruf des Abg. Jung.) – Wer behauptet, es werde eine europäische Friedensordnung parallel zur Westeuropäischen Union und zur NATO geben, Herr Kollege Kostelka, wer eine solche These verficht, kennt entweder die Dokumente nicht, die gemeinsamen Dokumente der Regierung, oder weiß genau, daß das eine Illusion ist. (Abg. Dr. Kostelka – ein Schriftstück in die Höhe haltend –: Nachlesen! Österreichische Position! Finnland und Schweden! Wider besseres Wissen werden Dinge behauptet!)

Wir haben den Amsterdamer Vertrag unterschrieben und ratifiziert, er steht im Verfassungsrang, und die Urkunde ist geändert, Artikel 23f. Wir werden in Zukunft an Petersberger Missionen teilnehmen. (Beifall bei der ÖVP.)

Sie haben das Papier in der Hand, das gemeinsame, von der Regierung erarbeitete Papier (Abg. Schieder: Das sagt etwas anderes! – Abg. Dr. Kostelka: Das sagt etwas anderes! Das ist ja das Problem, ihr wollt in der NATO sein, ohne es beschlossen zu haben! Das wird so nicht funktionieren! Mit uns nicht!), das die Verschmelzung von Westeuropäischer Union und Europäischer Union und somit eine gemeinsame Sicherheit zum Gegenstand hat. Darin findet sich die Formulierung: "Gemeinsame Sicherheit ohne parallele Strukturen". – Wer also vorgaukelt, es würde für den einen oder anderen einen Sonderzug daneben geben, ist eben ein Gaukler. (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wie anders soll ich es denn beurteilen, wenn jemand vorschlägt, die Neutralität fünf Jahre außer Streit zu stellen und aus dem Wahlkampf zu nehmen, gleichzeitig aber der Amsterdamer Vertrag in Kraft tritt, gleichzeitig die Zeitungen aber Aufkleber enthalten, mit denen genau das Gegenteil gemacht wird, nämlich die Neutralität zum Wahlkampfthema gemacht wird? Gleichzeitig wird innerhalb der Regierung über die Verschmelzung von Europäischer Union und Westeuropäischer Union verhandelt. Es wird über den europäischen Pfeiler in der NATO verhandelt – aber man soll nicht über die Neutralität diskutieren? Gleichzeitig macht man sie jedoch seit 8. April dieses Jahres ganz bewußt zum Hauptwahlkampfthema – und das werfe ich den Sozialisten vor. (Beifall bei der ÖVP.)

Was ist sonst noch die Sicherheitslüge, meine Damen und Herren? – Wenn so getan wird, als werde in der Wahl zum Europäischen Parlament über NATO und Neutralität entschieden. Da bin ich mit Ursula Stenzel: Es wird über Fragen von Arbeitsplätzen in Österreich entschieden, es wird über Fragen der Weiterbildung unserer Jugend entschieden, es wird über Fragen der europäischen Verfassung entschieden, aber über unsere Politik, über allfällige Dinge im Zusammenhang mit Neutralität und NATO entscheiden wir selbst. In dieser Wahl geht es nicht darum! (Weiterer Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Wie fühlt sich ein Regierungschef, der von einer angesehenen Zeitung als das "doppelte Viktorchen" bezeichnet wird? – Eine respektlose Bezeichnung. Aber: auf der einen Seite eine Denkpause betreffend die Neutralität – der eine –, auf der anderen Seite gleichzeitig Wahlkampfthema. Auf der einen Seite in Brüssel und Berlin: Die Kosovo-Aktionen der NATO sind gerechtfertigt und notwendig!, in Wien aber ist man wieder neutral. Mit wem ist der eine Viktor auf den Plakaten zur Wahl zum Europäischen Parlament zu sehen? – Mit Blair und Schröder, die beide Hauptproponenten der NATO-Aktion im Kosovo sind. Und: "Gemeinsam gestalten wir die Zukunft!" – Welche Zukunft, meine Damen und Herren? (Beifall bei der ÖVP.)

Und was ist davon zu halten, wenn der eine von einer "aktiven Neutralitätspolitik" spricht und der andere dem Bundesheer seit Jahr und Tag die notwendige Unterstützung in jeder Hinsicht – in moralischer, finanzieller und materieller! – verweigert? (Beifall bei der ÖVP.)

Meine Damen und Herren! Nehmen Sie zur Kenntnis: Niemand will Österreich gegen den Willen unseres Volkes in ein Militärbündnis führen. (Zwischenruf des Abg. Smolle.) Niemand will un


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