Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 169. Sitzung / 102

Der zweite Kardinalfehler, den ich gerade Ihnen, Frau Bundesministerin, wirklich persönlich vorwerfe, ist – und es ist schon erwähnt worden –, daß Sie sich nicht einmal mehr bemühen, einen Fünfparteienkonsens herzustellen, und zwar jenseits aller Fehler und Versäumnisse, die passiert sind. Es gab gestern ein Gespräch mit den Abgeordneten dieses Hauses, und ich frage Sie: Warum haben Sie es gestern nicht der Mühe wert gefunden, zu sagen, daß von Abgeordneten der Regierungsparteien heute hier ein Antrag kommt? Ich nehme wohl an, daß wenigstens Sie eingebunden waren!

Wenn schon von einem kleinen Land eine Vorreiterrolle übernommen werden soll, dann wäre es doch unabdingbar, daß man alle Parteien einbezieht, vor allem jene, die immer einen deutlichen Anti-AKW-Kurs verfolgt haben. Diesen Kurs haben Sie verlassen, und ich glaube, daß Sie damit leider die österreichische Position insgesamt schwächen. Ich finde das sehr schade, und es hat ganz offenbar nur mit Ihrer Profilierung im Wahlkampf zu tun. Dafür ist das Atomthema aber zu schade! (Beifall bei den Grünen.)

14.27

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Weiters zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Brix. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 7 Minuten. – Bitte, Herr Abgeordneter.

14.27

Abgeordneter Otmar Brix (SPÖ): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! "Gefährlich und ökonomisch unrentabel", diese Beurteilung kennzeichnet das Projekt des Atomkraftwerkes Temelin. Aber glauben Sie mir: Wir – und ich hoffe, alle – sind bei diesem Thema zutiefst bestürzt!

Was ich nicht möchte – und dagegen verwahre ich mich –, ist, daß dieses für uns alle sehr ernste Thema zu einer polemischen Frage hochstilisiert wird und daß manche Gruppen jetzt versuchen, sich mit so einem wichtigen, für uns alle entscheidenden Thema zu profilieren. Ich glaube, das ist nicht notwendig!

Wir sollten ehrlich mit diesem Thema umgehen, nicht so wie die von mir sehr geschätzte Maria Rauch-Kallat, die den Bundeskanzler beschuldigt, er hätte zu wenig getan. Ich könnte jetzt antworten, daß er es war, liebe Maria Rauch-Kallat, der mit dem jetzigen Ministerpräsidenten Zeman viele Male telefoniert hat und der bewirkt hat, daß zumindest einige Damen und Herren der Regierung in Tschechien gegen die Fertigstellung gestimmt haben, sodaß es keinen einstimmigen Beschluß gab. (Bundesminister Dr. Bartenstein: Entschuldigung: Aber Zeman war dafür!)  Zeman war dafür. Aber Bundeskanzler Klima hat bewirkt, daß einige dagegen gestimmt haben. Das Abstimmungsverhältnis war nicht einstimmig! (Abg. Mag. Schweitzer: Er war dafür, und die anderen haben gegen ihn gestimmt? Na das ist eine Logik!)

Meine liebe Frau Kollegin! Liebe Maria! Denk einmal nach! Denk einmal an jene ÖVP-Abgeordneten – trotz des von dir neu definierten Wortes "christlich-sozial" bleibe ich beim Ausdruck "Volkspartei" –, die in Brüssel sitzen und unter der Führung von Frau Stenzel nicht immer die klare Antiatomlinie Österreichs mitgetragen haben! Sie sind da nicht einfach mitgegangen. Dort hätten sie sich profilieren müssen, dort hätten sie dafür eintreten und diese Linie vertreten können! (Beifall bei der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Da hat er recht! – Abg. Oberhaidinger: EURATOM! Sündenfall EURATOM!)

Ich finde, es ist schade, daß wir dieses Thema – ganz Österreich schaut uns dabei zu, wie wir uns hier benehmen – in einem polemischen Streit austragen, anstatt einen gemeinsamen nationalen Konsens zu finden und zu sagen: Wir sind gegen dieses Kraftwerk, das unseren Lebensraum bedroht!

In dieser Frage muß es einen nationalen Konsens geben, und die österreichische Bundesregierung muß dabei insgesamt unterstützt werden! (Beifall bei der SPÖ.) Ich finde, das ist eine unbedingte Notwendigkeit. (Abg. Mag. Barmüller: Wir hätten einen gemeinsamen Entschließungsantrag formulieren können, der hätte besser ausgeschaut!)


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