Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 169. Sitzung / 111

Herr Minister! Nun komme ich zu meiner ersten Frage. Sie kennen ja genauso wie ich das berühmte Urteil aus Deutschland, in welchem das Mannheimer Landesgericht die bestehenden Bezugsverträge zwischen dem Landesenergieversorger Baden-Württemberg und dem schwäbischen Stadtwerk Waldshut-Tiengen für ungültig erklärt hat. Das hat zur Folge, daß diese Stadt nun wesentlich billigeren Strom aus der benachbarten Schweiz beziehen kann, denn die Verträge, die absichern sollten, daß diese Stadt bei der Landesgesellschaft über einen längeren Zeitraum einkaufen muß, sind obsolet.

Ich glaube, daß dieses deutsche Beispiel durchaus auch auf Österreich anwendbar ist. Auch in unserem Fall geht es um Verträge zwischen den Landesgesellschaften und der Verbundgesellschaft, die meines Erachtens viel zu hohe Preise vertraglich absichern. Ich meine, daß genauso wie in Deutschland diese Verträge rechtswidrig und somit obsolet sind und dadurch für die Tarifabnehmer die Möglichkeit entsteht, endlich in den Genuß der Strommarktliberalisierung zu kommen. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Wenn es darum geht, den Verbund abzusichern, dann sagen Sie: Die Strommarktliberalisierung läßt die hohen Preise, die im Vertrag zwischen den Illwerken und dem Verbund festgelegt sind, nicht mehr zu. Da berufen Sie sich auf die Strommarktliberalisierung, auf geltendes EU-Recht. Wenn es aber darum geht, die gleichen Chancen den Tarifabnehmern einzuräumen, dann ziehen Sie einen eigenen Paragraphen in das ElWOG ein, um genau dieses zu verhindern. Nun frage ich Sie: Wie sehen Sie diesen § 69 im Lichte des Urteils des Mannheimer Landesgerichtes?

Es ist schon bemerkenswert, Herr Bundesminister, wenn Sie dann mit einer Idee an die Öffentlichkeit treten – dazu hätte ich auch ganz gerne Ihre Meinung gehört –, derzufolge Sie äußern, daß Sie die 2 500 im Eigentum des Bundes stehenden Gebäude zu einem Großabnehmer bündeln und damit schon vor der von Ihnen im ElWOG festgelegten Frist in den Genuß der niedrigeren Preise der Strommarktliberalisierung kommen wollen. Herr Bundesminister! Damit durchlöchern Sie ja Ihr eigenes Gesetz und bekunden, daß Sie selbst nicht daran glauben, daß das ein gutes Gesetz ist. Wie sonst kann man denn auf die Idee kommen, das, was man den Tarifabnehmern vorenthält, zu umgehen, indem man alle 2 500 Bundesgebäude zu einem Großabnehmer bündelt?

Herr Bundesminister! Was halten Sie unter diesem Gesichtspunkt von der Überlegung, zu sagen: Jetzt gründen so viele Haushalte wie notwendig eine Interessengemeinschaft, titulieren sich auch als Großabnehmer und versuchen ebenfalls, die im ElWOG festgelegte Barriere zu überspringen, um damit in den Genuß der Strommarktliberalisierung zu kommen!?

Herr Bundesminister! Ihre Überlegung muß natürlich auch auf Haushalte anwendbar sein. Denn: Worin besteht der Unterschied zwischen einem Haushalt und einem Bundesgebäude? Wo liegt der Unterschied zwischen der Bündelung von 2 500 Bundesgebäuden zu einem Großabnehmer und der Gründung einer Interessengemeinschaft als "Energieverbraucher", die dann ebenfalls mehr als 40 Gigawattstunden in Summe pro Jahr brauchen?

Ich glaube, daß da kein Unterschied besteht. Aber Ihre Vorgangsweise, die Sie in diesen Fragen an den Tag legen, zeigt, daß Sie das Gesetz einmal so und einmal so auslegen – immer nach dem Gesichtspunkt: Wo hilft es mir beziehungsweise wo hilft es dem Verbund, wo hilft es dem Bund am besten?

Herr Bundesminister! Ihre Vorgangsweise in Sachen Strommarktliberalisierung ist die, daß Sie dann, wenn endlich einmal auch für den Bürger die Möglichkeit bestünde, vom EU-Beitritt Österreichs zu profitieren, in Österreich ein Gesetz machen, um genau das zu verhindern. Die österreichischen Bürger dürfen zwar Länge mal Breite für all das zahlen, was Österreich Richtung Brüssel abliefern muß – wir haben inzwischen eine Reihe von Sparpaketen hinnehmen müssen –, aber wenn es darum geht, daß endlich einmal, und zwar zum erstenmal, auch der einzelne Staatsbürger vom EU-Beitritt profitieren könnte, dann wird in Österreich, wird in Ihrem Ministerium ein Gesetz ausbaldowert und dann hier von der Mehrheit beschlossen, um genau das zu verhindern. Herr Bundesminister, daß Sie sich damit natürlich für die kommende Wahl


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