Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 22

Die Frage, die wir uns heute hier zu stellen haben, ist: Wer kann in welcher Situation welchen Beitrag leisten? – Diese Frage ist nach wie vor aktuell! Und ich konstatiere, daß die österreichische Bundesregierung in dieser Frage meiner Meinung nach nach wie vor nicht korrekt genug agiert.

Wie ist jetzt die Lage im Kosovo? – Es liegt seit dem 10. Juni eine grundsätzliche UNO-Resolution vor. Das, was ursprünglich gefehlt hat, was den Einsatz der NATO-Truppen eindeutig völkerrechtswidrig gemacht hat, liegt also jetzt zumindest als Rahmenbeschluß vor. Dennoch: De facto hat die UNO der NATO einen sehr weit gehenden Freiraum eingeräumt, weil es derzeit anders auch gar nicht möglich wäre. De facto ist es die NATO, die jetzt im Kosovo als Sieger auftritt.

Wer gestern im Fernsehen die Bilder von dort gesehen und auch die Kommentare dazu gehört hat, kann nachvollziehen, was sich jetzt im Kosovo ereignet. (Abg. Scheibner: Haben Sie auch die Bilder der Massengräber gesehen?) – Ja, Herr Abgeordneter Scheibner, ich habe die Bilder der Massengräber gesehen, und ich habe deswegen zu Beginn meiner Erklärungen in den Vordergrund gestellt, daß wir jetzt – und zwar stärker, in Zukunft als neutrales Österreich noch stärker – den Anfängen wehren müssen! Sie wissen, daß es leider die Anfänge von ähnlichen Verbrechen in manchen Regionen der Welt gibt!

Ich warte darauf, daß es morgen eine Initiative der Bundesregierung im Zusammenhang mit Kurdistan gibt – sie hätte die Unterstützung dieses ganzen Hauses, glaube ich –, die längst überfällig ist, um ähnliches zu vermeiden, damit wir dann nicht wieder vor Massengräbern stehen! (Beifall bei den Grünen.)

Für den Kosovo stellt sich jetzt aber die Frage: Wie kommt man von einem sehr, sehr brüchigen Waffenstillstand, der jeden Tag verletzt wird – von den Heckenschützen, durch die kleinen Scharmützel aller Art –, wie kommt man von diesem teilweise schon durchlöcherten Waffenstillstand zu einem echten Frieden? Und was kann der Beitrag Österreichs dazu sein?

Ich glaube, daß es mit der Neutralität und mit der historischen Rolle Österreichs auf dem Balkan auch in den letzten zehn Jahren nicht kompatibel ist, wenn Österreich in die Siegesrufe der Sieger einstimmt, anstatt jetzt als neutraler Vermittler, als Architekt des Friedens aufzutreten.

Wer die Bilder im Fernsehen gesehen hat, weiß, was sich jetzt dort ereignet: Es ist von einer Entwaffnung der UÇK, die für einen stabilen Frieden notwendig ist, keine Rede, sondern es kommt – wie sollte es aufgrund der Emotionalität der Kriegsereignisse auch anders sein – zu einer Verbrüderung der NATO-Truppen mit den Siegern, mit der UÇK. Jetzt ist es die serbische Zivilbevölkerung – auch Opfer, nicht Verursacher dieser Aggression –, die in Scharen flieht und einem ungewissen Schicksal entgegengeht. Wenn es das Ziel des neutralen Österreichs ist, multikulturelles Zusammenleben wieder zu ermöglichen, dann ist das kein Schritt, der uns in Richtung einer nachhaltigen Friedensordnung weiterbringt.

Daher glaube ich, daß man trotz Vorliegens des Beschlusses vom 10. Juni nicht im Einklang mit der österreichischen Neutralität österreichische Truppen in den Kosovo entsenden kann – nicht ausschließlich deswegen, weil es ein Risiko ist, denn das Risiko tragen alle, auch jene, die für NGOs, also nichtstaatliche Organisationen, im Dienste der Menschenrechte, im Dienste der humanitären Hilfe tätig sind, sondern auch deswegen, weil die Geschichte Österreichs in dieser speziellen Region belastet ist, weil wir nicht mehr als neutral angesehen werden, sondern als parteiisch, weil wir Partei ergriffen haben für die eine Seite; das ist etwas, was mit der österreichischen Neutralität sicher nicht mehr in Einklang steht.

Dazu kommt, daß die Schritte, die jetzt gesetzt werden sollen, nämlich betreffend eine mögliche weitere Involvierung österreichischer Soldaten in Kampfhandlungen, seitens des größeren Regierungspartners offenbar am Parlament vorbei gesetzt werden sollen, daß es höchstens zu einer Scheinbefassung des Parlaments kommen soll.

Medialen Stellungnahmen des Bundeskanzlers ist zu entnehmen: Wir haben ja Zeit, wir müssen das Parlament gar nicht mehr befassen! – Ich frage Sie aber schon, vor allem die sozialdemo


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