Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 43

Diese Novelle war von zwei Grundprinzipien geprägt. Erstens gibt es das partnerschaftliche Prinzip, und zwar daß die Ehe von beiden Teilen einvernehmlich und ausgewogen partnerschaftlich gestaltet werden soll. Meine sehr verehrten Herren von ganz rechts! Der Mann ist nicht mehr das Oberhaupt der Familie, sondern es müssen beide Partner gemeinsam zum Wohl der Familie beitragen. (Abg. Mag. Schweitzer: Scheidung und Gemeinsamkeit! – Abg. Haigermoser: Scheidung und Gemeinsamkeit, das ist noch niemandem gelungen!)

Dieses partnerschaftliche Prinzip gilt nicht nur bei der Aufteilung der Rechte und Pflichten, sondern auch beim Recht des Unterhaltes in Geld. Geld ist, wenn zu wenig vorhanden ist, immer ein Konfliktbereich. Es soll nicht einseitig und allein durch den Erwerbstätigen ausgegeben werden können, sondern jener Partner, der nicht erwerbstätig ist, hat auch einen gewissen Anspruch auf dieses Geld. Er hat – meistens wird es die Frau sein – nicht nur Anspruch auf Sachleistungen, sondern auch auf Geld für den Unterhalt und auch darauf – sofern die gemeinsamen Leistungen der Familie abgedeckt sind –, daß er sich eigenständig etwas kaufen kann.

Beibehalten wurde auch – das wird heute sicher noch zu Debatten führen – die Mitwirkungspflicht im Erwerb des anderen. In Zeiten einer partnerschaftlichen Regelung war es einigen nicht verständlich, warum man einen Teil einfach per Gesetz verpflichtet, beim anderen im Erwerb mitzuarbeiten. Das trifft insbesondere bei Gewerbebetrieben zu, aber auch – deshalb wurde es beibehalten – bei bäuerlichen Betrieben.

Es ist so, daß eine Bäuerin, die im Betrieb des Bauern arbeitet und am Hof nicht angeschrieben ist, nicht Mitunternehmerin ist. Sie ist aber auch keine Angestellte oder Arbeiterin nach dienstrechtlichen Vorschriften, sondern all ihre sozialrechtlichen Leistungen führen auf diese Bestimmungen zurück. Daher konnten wir sie nicht einfach aus dem Gesetz streichen, denn damit wäre das Sozialrecht der Bäuerinnen gefährdet gewesen. Die Bäuerinnen haben aber ein Anrecht darauf, daß ihre erworbenen Rechte nicht mittels eines Federstriches im Eherecht zunichte gemacht werden.

Ich gebe zu, daß man diese sozialrechtliche Absicherung vielleicht in anderen Materien lösen könnte, aber solange das nicht geschieht, brauchen wir diese Bestimmung. Dort, wo Partner glauben, daß diese Mitwirkungspflicht nicht mehr zu ihrer Lebensgestaltung gehört, können sie es selbstverständlich auch vertraglich abbedingen oder anders regeln. Insoweit gilt die Vertragsautonomie nicht nur schriftlich, sondern auch durch das faktische Zusammenleben.

Das zweite Prinzip neben dem partnerschaftlichen Prinzip, das dieser Novelle zugrunde liegt, ist das Grundprinzip, daß die Ehe ein Vertrag ist. Wer diesen Vertrag einseitig bricht, hat die Nachteile zu tragen. Wir haben deshalb das Verschuldensprinzip nicht aufgegeben. Herr Kollege Graf! Es ist unrichtig, wenn Sie meinen, daß wir das Verschuldensprinzip verlassen hätten (Abg. Dr. Graf: Jetzt kommt die Scheidungslüge nach der Neutralitätslüge!), ganz im Gegenteil, das Verschulden ist nach wie vor im Scheidungsfall wesentlich, weil es sich nach wie vor in Form von Scheidungsgründen im Gesetz wiederfindet. Es ist – zugegebenermaßen – richtig, daß wir die absoluten Scheidungsgründe aufgegeben haben.

Herr Kollege Graf! Sie haben gemeint, 90 Prozent der Bevölkerung wären für die Beibehaltung der absoluten Scheidungsgründe. Ich sage Ihnen, 100 Prozent der Bevölkerung kennen den Unterschied zwischen einem absoluten und einem relativen Scheidungsgrund nicht genau. Daher ist Ihr Argument nicht ganz korrekt! (Abg. Dr. Graf: Aber was Ehebruch ist, weiß jeder in Österreich! Den Ehebruch kennt jeder!)

Deshalb, weil jeder weiß, was Ehebruch ist und weil das den Menschen wesentlich ist, hat die ÖVP dafür gesorgt, daß dieser im Gesetz als schwere Eheverfehlung bestehen bleibt. (Beifall bei der ÖVP.)

Es war einzig und allein das Verdienst der ÖVP, daß auch die Gewalt als schwere Eheverfehlung in das Gesetz aufgenommen wurde, denn bisher wurde weder bei Eheverfehlungen noch bei Scheidungsgründen die Gewalt berücksichtigt. Das haben wir, die ÖVP, erst hineinreklamiert.


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