Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 52

Unrecht sagt daher die Bischofskonferenz – die Bischofskonferenz, Herr Kollege Krüger! –, und zwar in einem Schreiben vom 15. Oktober 1998, also nicht von vor 20 Jahren:

In diesem Sinn ist der Wegfall der selbständigen Scheidungstatbestände Ehebruch und Verweigerung der Nachkommenschaft an sich eheerhaltend und damit vom sakramentalen Standpunkt her zu begrüßen. – Zitatende.

Meine Damen und Herren! Das muß man auf der Zunge zergehen lassen: Es gibt überhaupt keine Zweifel, welche Stellung die Bischofskonferenz in diesem Statement bezieht. Aber Kollege Graf hat sich heute hier in seiner Rede, die meines Erachtens weit am Thema vorbeigegangen ist und wo man sich die Frage stellen muß, ob er die Regierungsvorlage überhaupt gelesen hat, erdreistet, zu sagen – er als großer Sprecher der Christlichen in diesem Lande –, er sei dafür, daß die absoluten Scheidungsgründe weiterhin aufrechterhalten bleiben.

Meine Damen und Herren! Zum Abschluß kommend: Wir haben mit dieser Gesetzesvorlage einen Schritt in die richtige Richtung gemacht, und zwar haben wir damit eine Verbesserung der sozialen Stellung der Frauen, der sozial Schwachen, eine Verbesserung in Richtung der Kinder, der gesamten Situation im Rahmen der Ehescheidung, nämlich, daß da eine würdigere Form der Auseinandersetzung stattfindet, erreicht. Ich halte das für einen guten Schritt, meine aber, daß eine weitere Diskussion notwendig ist. Doch das, was heute hier seitens der Freiheitlichen Partei bis jetzt eingebracht wurde und, wie ich befürchte, auch weiterhin eingebracht werden wird, kann man nur – um jetzt mit einem Begriff aus dem Bereich der Kirche zu argumentieren – unter dem Begriff "Erbarmen haben" subsumieren. – Danke schön. (Beifall bei der SPÖ.)

11.09

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gelangt Frau Abgeordnete Mag. Stoisits. – Frau Abgeordnete! Sie wollen, daß ich die Uhr auf 15 Minuten einstelle. – Bitte, Frau Abgeordnete.

11.09

Abgeordnete Mag. Terezija Stoisits (Grüne): Poštovane dame i gospodo! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Geschätzte Frau Bundesministerin! Sehr geehrter Herr Bundesminister! Sehr geehrter Herr Präsident! Eine Minimalnovelle, ein Minimalstkonsens zwischen den beiden Regierungsparteien ist das Resultat eines jahrelangen Prozesses, in dem Experten und Expertinnen aus den verschiedensten Bereichen des gesellschaftlichen Lebens und Zusammenlebens in geradezu vorbildlicher Weise – vom Bundesministerium für Justiz gebeten und aufgefordert – am neuen Ehe- und Scheidungsrecht mitgewirkt haben.

Seit dem Jahre 1995 – das ist jetzt immerhin vier Jahre her – traf sich eine hochkarätige ExpertInnengruppe – immer auf Einladung des Herrn Bundesministers – im Justizministerium. Es wurde – ich habe die Protokolle immer sehr genau studiert – durchaus mit divergierenden, aber immer in der Sache konstruktiven Standpunkten daran gearbeitet, unser Ehe- und Scheidungsrecht, das in erster Linie auf Grundstrukturen aus dem 19. Jahrhundert aufbaut, in eine zeitgemäße Form zu bringen, die dem ausgehenden 20. Jahrhundert – es fehlen ja nur mehr sieben Monate, dann sind wir im nächsten Jahrtausend – entsprechen sollte.

Was ist dabei herausgekommen? – Eine wirkliche Minimalstnovelle, für die man eigentlich das Wort "Reform" gar nicht verwenden dürfte.

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Essentielle Punkte, von denen ich mir erhofft habe, daß sie in diese Gesetzesnovelle Eingang finden werden – es kommt ja nicht alle Tage vor, daß man am Ehegesetz und am Eherecht insgesamt Veränderungen vornimmt –, wurden außer acht gelassen. Patriachalische Relikte, Unterwerfungsrituale, von Frauen natürlich, gegenüber dem patriarchalischen Geist des Gesetzgebers, der ganz eindeutig männlich dominiert ist, bleiben weiterhin aufrecht.

Ein Beispiel dafür ist der vielleicht manchen nicht so wesentlich erscheinende, aber diesen Geist am deutlichsten ausdrückende Umstand, daß es im Ehenamensrecht nach wie vor so ist, daß, wenn Ehepartner, die sich entscheiden, ihren Namen weiter zu behalten – und das ist ja jetzt seit einigen Jahren möglich –, keine Vorkehrungen dafür treffen, wie allfällige, in der Ehe noch


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