Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 113

nichts zu tun hat, und damit eine Wahl zu gewinnen, und zwar mit dem Schlagwort: Die SPÖ sichert die Neutralität.

Dieser Wahlkampf hat aber auch deutlich gemacht, wie es der ÖVP geglückt ist, mit einem theoretischen Begriff von ihrer politischen Zielsetzung abzulenken, mit dem theoretischen Begriff eines Europäischen Sicherheitssystems von der politischen Zielsetzung eines NATO-Beitrittes abzulenken.

Es hat dieser Wahlkampf auch gezeigt, wie es der FPÖ gelungen ist – nicht so gut wie sonst, aber immerhin –, die Wählerinnen und Wähler an der Nase herumzuführen (Abg. Scheibner: Der übliche Reflex gegen die FPÖ!) und ihnen mit einer Volksabstimmung das zu versprechen, was man ihnen von seiten der FPÖ eigentlich wegnehmen will, nämlich die Neutralität (Abg. Scheibner: Das ist ein völliger Unsinn!) – abgesehen davon, daß die Grundlage einer Volksabstimmung ohnehin erst einmal die Abschaffung der Neutralität sein müßte. (Abg. Scheibner: Das ist nicht sehr schlüssig! – Abg. Dr. Partik-Pablé: Wenn das so weitergeht, dann wird die Dringliche ein Absturz!)

Es ist daher im Interesse dieser Parteien, nachdem das für sie unterschiedlich gut, aber doch funktioniert hat, das alles im Nebel zu belassen, in der Hoffnung: Wenn es einmal funktioniert hat, wird es wieder funktionieren. Dieses im Nebel-Belassen hat sogar die Unterstützung durch den Herrn Bundespräsidenten, der meinte, daß die Sicherheitspolitik aus sämtlichen Wahlkämpfen herausgelassen werden sollte.

Wir Liberalen haben eine andere Auffassung dazu. Wir Liberalen glauben, daß nicht nur Wahlkämpfe dazu da sind, inhaltliche Positionen klarzumachen, sondern daß vor allem im Vorfeld die Inhalte offengelegt werden sollen, damit man weiß, worüber man eigentlich abstimmt, damit man weiß, welchen Positionen man Rückhalt gibt und welche Positionen man ablehnt, und das hat nicht nur auf Schlagwortebene zu geschehen.

Um das zu machen, ist es allerdings notwendig, daß man den Status quo für Österreich offenlegt. Offengelegt werden soll damit das Auseinanderklaffen zwischen Verfassungsrechtslage einerseits und der Realpolitik auf der anderen Seite. Aber es ist uns auch ein Bedürfnis, diese Gelegenheit dazu zu benützen, die Position der Liberalen offenzulegen und klarzumachen.

Um das alles zu erreichen, halte ich es für notwendig, daß wir zuerst einmal wenigstens ein paar Worte über das Wesen der Neutralität verlieren, denn wenn von Neutralität geredet wird, operiert man immer mit einer Keule, ohne überhaupt zu sagen, was die Neutralität eigentlich ist, was dahinter steht. (Zwischenruf bei der SPÖ.) Die immerwährende Neutralität, Frau Kollegin Reitsamer, ist mehr als nur die Verpflichtung, keine militärischen Stützpunkte zuzulassen, keinem Militärbündnis anzugehören und sich aus Kriegen herauszuhalten. Sie ist mehr als das!

Das ist genau der Punkt, den es auch einmal zu unterscheiden gibt, und zwar auch deswegen, weil man sich immer so gerne auf andere europäische Staaten beruft, die bündnisfrei und nicht immerwährend neutral sind, und das ist, wie die meisten von Ihnen hier wissen, wie es jedenfalls der Herr Bundeskanzler weiß, ein Unterschied. Die Vermengung halte ich bereits für nicht sehr redlich, weil hier verbal eine schleichende Entwicklung eingeleitet wird, wo man sich dann plötzlich wundert, daß die Realitäten völlig anders ausschauen.

Die immerwährende Neutralität – und Sie, Herr Bundeskanzler, sind derjenige, der sich als Wahrer der Neutralität darstellt, und daher müssen Sie wohl die immerwährende österreichische Neutralität meinen und nicht die finnische, die schwedische oder sonst irgendeine, die eine Bündnisfreiheit ist, denn Sie reden ja von den Österreichern, nehme ich doch an – hat auch andere Verpflichtungen als jene, die ich gerade genannt habe.

Die immerwährende Neutralität Österreichs hat auch eine Verpflichtung zu einer bestimmten Neutralitätspolitik, und diese Neutralitätspolitik steht durchaus in der Disposition jenes Landes, für die sie zu gelten hat, aber es ist eine Neutralitätspolitik, die bereits im Vorfeld, in den Vorwirkungen klarmacht – und das sind die simpelsten Definitionen, die sie im Handbuch des Völkerrechtes lesen können –, daß man im Frieden auch nichts tun darf, was in künftigen Kriegen die


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