Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 114

Einhaltung der Pflichten der gewöhnlichen Neutralität unmöglich machen würde, nämlich sich herauszuhalten. Damit ist nicht eine Gesinnungsneutralität gemeint – unterstellen Sie mir nicht, daß ich das so simplifizieren möchte! –, sondern ich meine die Realpolitik des Landes.

Wenn ich mir das anschaue und sehe, wie Österreich in den letzten Jahren agiert hat – und wir haben das in unserer Dringlichen Anfrage aufgelistet –, dann muß ich sagen: Wir haben uns von dieser immerwährenden Neutralität Schritt für Schritt, und zwar in großen Schritten, bereits meilenweit entfernt.

Ich fange deswegen mit dem Jahre 1991 an, weil ich nicht bis zum Beitritt zur UNO zurückgehen möchte. Die Schweiz in ihrer Konsequenz hat auch gefunden, daß selbst der Beitritt zur UNO mit ihrer Neutralität nicht vereinbar wäre, und das ist auch die Auffassung vieler Völkerrechtler. Wir haben gefunden – ich möchte es auf Wienerisch ausdrücken –: Das geht g‘rad noch!

Ich will mich damit gar nicht auseinandersetzen. Aber ich erinnere mich noch gut an das Jahr 1991, als hier im Parlament in einer Nacht-und-Nebel-Aktion – ich glaube, zwischen zwei und vier Uhr früh war es, bis vier Uhr früh hat, so habe ich es nebulos in Erinnerung, der Ausschuß gedauert – das Strafgesetz und das Kriegsmaterialiengesetz geändert werden mußten, weil in der Golfkrise Österreich die Bewilligung für Überflüge und für Durchfahrten geben wollte, um Solidarität zu beweisen. Dies habe auch ich in diesem Fall für richtig gehalten. Die Rechtslage war allerdings darauf nicht eingestellt, die Rechtslage haben wir adaptiert: Weg von der Neutralität!

Viel wesentlicher aber scheint mir der Beitritt Österreichs zur Europäischen Union im Jahre 1995. Ich erinnere mich noch sehr gut an die damaligen Diskussionen. Wie man weiß, war es den Liberalen immer ein Anliegen, daß Österreich Mitglied der Europäischen Union wird. Es wäre uns weit lieber gewesen, hätten Sie, nämlich die Bundesregierung und die Funktionäre der Bundesregierung, damals die Bürgerinnen und Bürger darüber aufgeklärt, mit welchen Konsequenzen ein solcher EU-Beitritt verbunden ist. Ich halte es einfach für nicht fair, daß man, nur um etwas erreichen zu können, die Dinge nicht beim Namen nennt, Dinge verschleiert oder überhaupt unerwähnt läßt.

Genau das haben Sie mit dem Thema Neutralität getan! Sie haben sich formal darauf zurückgezogen – was zugegebenermaßen stimmt –, daß wir der EU als neutraler Staat beigetreten sind, und haben gehofft – und die Rechnung ist aufgegangen –, daß die Menschen damit den Glauben verbinden, daß wir das auch bleiben können.

Nur: Mit diesem EU-Beitritt haben wir uns zu Dingen verpflichtet, die mit einer immerwährenden Neutralität absolut nicht vereinbar sind. In der Erklärung zur Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik steht nämlich unter anderem drinnen, daß die neuen Mitgliedstaaten ab dem Zeitpunkt ihres Beitritts bereit und fähig sein werden, sich im vollen Umfang aktiv an der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik zu beteiligen.

Weiters steht drinnen, daß diese Ziele des Vertrages vollständig und vorbehaltlos übernommen werden.

Herr Bundeskanzler! Ich kenne ja die Argumentation: In unserem Rahmen halt! Aber wenn ich das Ziel einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik unterschreibe, wenn ich dieses vorbehaltlos unterschreibe, dann ist es nicht redlich, eine Mentalreservation zu haben und zu sagen: Ich bleibe das, was ich bin, und ich werde daher nie fähig, diese Ziele auch mitzuverfolgen und mitzutragen! Ich bleibe in meiner Beschränkung, ich unterschreibe etwas, was ich dann gar nicht erfüllen kann! (Beifall beim Liberalen Forum.)

Das halte ich nicht für richtig, und daher gibt es nur eines: Entweder ich entscheide mich, daß ich das nicht tun kann, oder aber ich versetze mich in die Lage, daß ich diese Ziele auch vorbehaltlos und vollständig übernehmen kann. Das heißt aber nicht, daß man bei allem mittun muß, das sage ich damit nicht, ich muß nur bereit sein, theoretisch bei allem mitzutun. Das ist der Unterschied!


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