Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 115

Wir haben daher – und das ist auch ganz logisch – in weiterer Folge unsere Verfassung geändert, denn es ist natürlich mit einer immerwährenden Neutralität nicht vereinbar, wenn man Partei für eine Streitpartei ergreift, indem man zum Beispiel Wirtschaftsaktionen mitträgt. Daher haben wir unsere Verfassung geändert, wo im Artikel 23f drinnen steht, daß wir Aktionen mittragen können. Dort heißt es: Dies schließt die Mitwirkung an Maßnahmen ein, mit denen die Wirtschaftsbeziehungen zu einem oder mehreren dritten Ländern ausgesetzt, eingeschränkt oder vollständig eingestellt werden.

Diese Adaptierung war notwendig, um ein Mindestmaß an Verpflichtung erfüllen zu können, die wir mit dem EU-Beitritt eingegangen sind.

Ein noch viel größerer und klarerer Schritt ist aber mit dem Amsterdamer Vertrag erfolgt. Das war die endgültige Ansage – es ist wohlwollend, wenn ich sage Ansage – zur Verabschiedung der Neutralität, denn da haben wir uns auch zu den Petersberger Aufgaben verpflichtet, die – und jeder hier weiß es – eben nicht nur friedenssichernde und friedenserhaltende Maßnahmen einschließen, sondern im Zusammenhang mit Krisenbewältigung auch Kampfeinsätze.

Dies ist mit einer immerwährenden Neutralität unvereinbar, und jemand, der das bestreitet, redet wirklich an der Realität und auch am Rechtsbestand vorbei.

Wir haben daher wieder unsere Verfassung adaptiert, und ich kann mir gut vorstellen, welches Tauziehen um jedes Wort zwischen den Koalitionsparteien geherrscht haben muß. Aber es wurde klargestellt – und jetzt zitiere ich nur noch die Erläuterungen der Abgeordneten Kostelka und Khol –, daß in Entsprechung des Vertrages von Amsterdam auch Maßnahmen für den Fall mitgetragen werden, daß diese nicht in Durchführung eines Beschlusses des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen ergriffen werden. Das steht so wörtlich drinnen. (Abg. Dr. Khol: Ganz richtig! Ja! Dazu stehen wir auch!) Das heißt, wir haben auch damit deutlich gemacht, daß das, was unter immerwährender Neutralität jedenfalls völkerrechtlich und staatsrechtlich zu verstehen ist, nicht mehr haltbar ist. Man kann das für gut oder für richtig halten, es ist eben geschehen. (Abg. Dr. Kostelka: Lesen Sie einmal den Text und nicht nur die Erläuterungen!)

Aufgrund dessen ist es auch kein Wunder, daß die beiden Regierungsfraktionen keinen Optionenbericht zusammengebracht haben, obwohl sie sich noch in der Regierungserklärung dazu verpflichtet und auch die Wichtigkeit dieses Themas erkannt haben, indem sie in die Regierungserklärung hineingeschrieben haben, daß alle weiterführenden sicherheitspolitischen Optionen – und zwar noch vor der Übernahme des EU-Vorsitzes durch Österreich – dem Parlament unterbreitet werden. Jeder weiß, wie es ausgegangen ist: Der Optionenbericht ist nicht gekommen.

Nun komme ich – damit ich nicht alles, was Sie ohnehin in der Dringlichen Anfrage nachlesen können, wiederholen muß – zum 4. Juni 1999, zum Kölner Gipfel. Auch da erinnere ich mich gut an die Diskussionen im Hauptausschuß, an die Diskussionen zwischen Außenminister, Klubobmann Kostelka, meiner Person, wo es darum gegangen ist, wie, in welchem Zeitrahmen und wie engagiert Österreich für eine Integration der WEU in die EU eintreten soll. Darüber will ich jetzt nicht reden, nur darüber, was herausgekommen ist.

Herausgekommen ist beim Kölner Gipfel, daß jedenfalls der Rat der Europäischen Union in die Lage versetzt wird, Beschlüsse über das gesamte Spektrum der ihm zur Verfügung stehenden politischen, wirtschaftlichen und militärischen Instrumente zu fassen, wenn es darum geht, auf Krisensituationen zu reagieren.

Nun weiß ich schon, daß das alles Absichtserklärungen sind, aber jedenfalls Absichten in eine Richtung: daß in einer Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik auch gemeinsame militärische Aktionen stattfinden sollen, und zwar – und das ist das, was mich noch beruhigt – entweder mit oder ohne Inanspruchnahme der NATO-Strukturen.

Wenn Sie, was ich annehme, jetzt auf das Vetorecht oder auf die konstruktive Enthaltung hinweisen werden und darauf, daß Österreich ja nicht mitmachen muß, so sage ich: Dieses Vetorecht, die konstruktive Enthaltung gibt es, nur ist es kein Sonderinstrumentarium für Neutrale,


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