Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 116

sondern es ist ein Instrumentarium, das allen Mitgliedstaaten gleichermaßen zur Verfügung steht. Es ist daher unrichtig, daß, wie Sie behaupten, da auf die Sondersituation Neutraler Bedacht genommen worden wäre.

Weil das für alle Mitgliedstaaten gleichermaßen gilt, halte ich es für logisch und auf der Hand liegend, daß das nur so ausgelegt werden darf, daß sich ein Land nur im Einzelfall, dann, wenn besondere Gründe dafür sprechen, enthält – aber nicht aus prinzipiellen Gründen, weil ein neutraler Staat niemals daran teilhaben kann, denn das wäre eine Mentalreservation bei der Unterzeichnung eines Vertrages, und diese hielte ich für inkorrekt. Daher wundert es mich auch nicht, daß unser Stellenwert und unser Ernstgenommenwerden bei der Europäischen Gemeinschaft nicht so ist, wie Sie das uns gegenüber gerne darstellen.

Wenn wir davon sprechen, daß endlich eine Sicherheitsdebatte notwendig ist, dann meinen wir, daß wir den Österreicherinnen und Österreichern einerseits, wenn man ehrlich ist, sagen muß, daß man schon deswegen nicht als Wahrer der immerwährenden Neutralität auftreten kann, weil sie inzwischen weg ist. Und wenn das so ist, dann ist es auch nicht fair, so zu tun, als könnte man die Neutralität auch für die Zukunft weiter retten, denn es ist nichts mehr da, was man retten kann!

Wenn ich mir jetzt den bevorstehenden Wahlkampf vorstelle, wenn ich mir vorstelle, daß mit den gleichen Schlagworten agiert werden wird, dann muß ich sagen: Das mag zwar wählerwirksam sein, mit politischer Verantwortung hat es aber herzlich wenig zu tun. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Es wird der Tag kommen, an dem wir gar nicht anders können, als in dieser Europäischen Union Farbe zu bekennen. Dann stehen die Bürgerinnen und Bürger da, und sie werden überhaupt nicht wissen, wie ihnen geschieht, weil man ihnen jahrelang Sand in die Augen gestreut hat. Das ist einfach nicht in Ordnung, das ist ein falsches Politikverständnis!

Die SPÖ und, wie ich meine, auch die Grünen halten da an einem Potemkinschen Dorf fest, und zwar aus unterschiedlichen Motivationen und mit unterschiedlicher Glaubwürdigkeit in der Überzeugung. Das kommt dazu, denn die Glaubwürdigkeit der Grünen in dieser Frage ist meiner Ansicht nach um ein Vielfaches höher als die der SPÖ. Nur, es nützt überhaupt nichts, es ist trotzdem ein Potemkinsches Dorf. (Abg. Wabl: Nein! Die Wirklichkeit machen auch wir aus als Partei!) Es nützt nichts, daß ihr dabei glaubwürdiger seid! Daher ist das für mich nicht unbedingt als ein Plus gemeint.

Die ÖVP und die FPÖ wollen den direkten Weg in die NATO. Das mag eine Option sein, für die man eintreten kann. Die Liberalen treten dafür nicht ein, und wir sind nie dafür eingetreten! (Abg. Dr. Khol: Wofür treten Sie denn ein?) Wir halten das für den falschen Weg, weil wir glauben, daß ein europäisches Sicherheitssystem, von dem ich zuvor geredet habe und das die ÖVP so gerne als einen theoretischen Begriff und damit als einen Mantel für etwas Verhüllendes benützt hat, der richtige Weg wäre, und wir meinen, daß man offenlegen muß, was darunter verstanden werden kann. Was wir darunter verstehen – im Gegensatz zu Ihnen, im Gegensatz zu einem NATO-Beitritt –, ist ein eigenständiges Sicherheitssystem und – ich sage das, auch wenn es viele gibt, die das als eine Illusion abtun – auch ein europäisches Freiwilligenheer. (Abg. Scheibner: Das ist ein gefährlicher Wunsch!)

Wir wollen ein europäisches Sicherheitssystem mit all seinen Komponenten der Sicherheitsaktionen, und das ist nicht nur eine militärische Komponente, wie mir hoffentlich viele recht geben werden, aber eine der Sicherheitskomponenten ist eben bedauerlicherweise die militärische, und für diese eine Komponente wünschen wir uns ebenfalls ein europäisches Instrumentarium, nämlich ein europäisches Freiwilligenheer. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Wenn es auch manchen visionär erscheint, so stehe ich dazu. Vielen wäre seinerzeit die Europäische Union insgesamt visionär erschienen, und erst recht wäre ihnen eine gemeinsame europäische Währung visionär erschienen. Heute haben wir sie, und das Euro-Heer wird das nächste sein, was wir haben.


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