Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 124

klar – für unser Land wichtig ist, daß wir – Sie haben das auch in Ihrer Anfragebegründung angesprochen – anderen gegenüber als berechenbarer Partner erscheinen. (Abg. Dr. Schmidt: Das sind wir im Moment augenscheinlich nicht!)

Wenn man mit ausländischen Politikern spricht, so fällt einem auf, daß diese kein Problem haben mit der Position Irlands, Finnlands oder Schwedens, jedoch manchmal Österreich nicht verstehen. Daher habe ich auch gesagt – um es diesbezüglich den anderen leichter zu machen –: Genauso wie das bei Finnland, Irland und Schweden der Fall ist, sollten auch wir eine klare Position dazu haben und dort, wo wir offiziell unser Land vertreten, diese Vertretung auf Basis der Verfassung, auf Basis des bestehenden Neutralitätsgesetzes vornehmen. (Langanhaltender Beifall bei der SPÖ.)

15.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Ich danke dem Herrn Bundeskanzler.

Wir gehen nunmehr in die Debatte ein.

Ich mache darauf aufmerksam, daß kein Redner länger als 10 Minuten sprechen darf. Erster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Kier. – Bitte, Herr Abgeordneter.

15.53

Abgeordneter Dr. Volker Kier (Liberales Forum): Herr Bundeskanzler! Ich bin enttäuscht. Der Applaus Ihrer Fraktion ist zwar plausibel, denn damit sollte Ihnen offensichtlich nachträglich für den Mut gedankt werden, daß Sie weiter dabei geblieben sind, nicht offen und ehrlich die Wahrheit zu sprechen. (Zwischenruf des Abg. Leikam.)

Auch ein Weglassen ist ein Teil von mangelnder Wahrheit! Die Wahrheit ist aber den Wählern zumutbar. (Beifall beim Liberalen Forum.) Daher ist es ein Denkfehler, zu vermuten, daß es Ihnen im Abstand von wenigen Monaten immer wieder gelingen wird, ein zentrales Thema der Republik Österreich, nämlich, wie geht es wirklich weiter mit der Sicherheit, auch in der militärischen Dimension, vor den Wählern zu verstecken, geheimzuhalten – und außerdem noch so zu tun, als ob alles noch so wäre wie im Jahre 1955, als Österreich der UNO beigetreten ist, vorher das Neutralitätsgesetz beschlossen wurde, im übrigen die Neutralität notifiziert wurde. Sie tun so, als sei seither alles beim alten geblieben, obwohl wir inzwischen der Europäischen Union beigetreten sind.

Sie, Herr Bundeskanzler, haben heute regelmäßig den Vertrag von Maastricht und die "irische Formel" angesprochen. – Dazu bitte: Irland ist kein immerwährend neutraler, sondern ein bündnisfreier Staat. Das möchte ich schon zu bedenken geben. (Zwischenbemerkung von Bundeskanzler Mag. Klima.) Irland ist kein immerwährend neutraler Staat mit Notifizierung, mit völkerrechtlicher Bindung, und daher haben Sie, Herr Bundeskanzler, regelmäßig im Zuge Ihrer Anfragebeantwortung die Wendung "paktfreie und neutrale Staaten" verwendet.

Das einzige, was in Ihrer Beantwortung klar herausgekommen ist, ist, daß Sie nicht in die NATO wollen. Da sind wir ja ganz nahe beieinander. Wir Liberalen halten die NATO ebenfalls für einen Anachronismus in ihrer ganzen Konstruktion, ebenfalls für ein Kind des Kalten Krieges ex 1949, sosehr sich die NATO auch entwickelt haben mag. Die NATO hat sich tatsächlich mehr entwickelt, als man vielleicht annimmt, ist aber eben etwas anderes als eine europäische Sicherheitsidentität. (Beifall beim Liberalen Forum.)

Da Sie, Herr Bundeskanzler, von der Charta der Vereinten Nationen und vom Recht auf individuelle und kollektive Selbstverteidigung gesprochen haben: Individuelle Selbstverteidigung ist Recht und Pflicht eines immerwährend neutralen Staates. Kollektive Selbstverteidigung verletzt sogar das Kernelement der Bündnisfreiheit, das Sie hier beschwören, denn kollektiv kann man sich nur mit anderen gemeinsam verteidigen – und das ist allemal ein Bündnis, wenn auch vielleicht nur eines auf Zeit, jedenfalls aber ein Bündnis.

Daher, Herr Bundeskanzler: Wenn Sie sich auf die Charta berufen und auf die kollektive Selbstverteidigung, so haben Sie mit diesem Satz – möglicherweise durch völkerrechtliche Unkennt


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