Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 174. Sitzung / 249

schen, der voll Hoffnung und Angst einen Arzt aufsucht, in sehr kurzer Zeit über seine schwere, potentiell tödliche Erkrankung aufzuklären, die sofortiger genauer Diagnostik und rascher Therapie bedarf, einer Therapie, die für immer zu Sterilität führen kann. Um noch Kinder bekommen zu können, muß rasch Samen gespendet und tiefgekühlt aufbewahrt werden. Hierfür benötigen wir jedoch eine Änderung des In-vitro-Fertilisationsgesetzes. Heute erfährt dieser junge, verzweifelte, aufgewühlte Mensch, der an einer Spezialstelle unter unerfreulichen Bedingungen seinen Samen spendet, daß dieser nur für ein Jahr eingefroren und dann vernichtet wird. Nach einem Jahr ist niemand sicher, ob der Patient geheilt ist. Nach einem Jahr haben diese jungen Menschen oft keine Lebenspartnerschaft oder wollen so jung und ohne Beruf noch keine Kinder.

Der Vorstand der Österreichischen Gesellschaft für Hämatoonkologie hat sich in seiner letzten Sitzung mit dieser Problematik befaßt und kam zu dem Schluß, daß der psychische Druck für diese Patientengruppe ein ganz besonders hoher ist, daß man diesen Druck nicht noch dadurch erhöhen soll, daß man zeitliche Limitierungen in der Form setzt, daß man die Frist, bis zu deren Ablauf Samen beziehungsweise Eizellen oder eingefrorenes Ovarialgewebe verworfen werden muß, in Jahren begrenzt, sondern daß es klüger ist, das Ende der Aufbewahrung mit dem 45. oder 50. Lebensjahr, einem Alter, in dem bei einem gesunden Menschen noch eine natürliche Befruchtung möglich wäre, anzusetzen.

Ein kranker Mensch braucht länger für seine Berufsausbildung, findet später zur Partnerschaft und braucht Zeit, bis alles in geordneten Bahnen verläuft. Wenn man bedenkt, daß auch gesunde Menschen ihren Kinderwunsch erst Mitte 30 verwirklichen, dann ist die Verwirklichung dieses Kinderwunsches nicht von einem Kranken unter Zeitdruck zu verlangen.

Frauen müssen, um überhaupt ein halbwegs normales Leben führen zu können, hormonell substituiert werden. In naher Zukunft wird man diese Substitution wahrscheinlich mit Eierstockge-webe durchführen. Dieses Gewebe dann vernichten zu müssen, wäre ein schwerer Schaden für die Patientinnen.

Da heute immer mehr junge Menschen mit malignen Erkrankungen geheilt werden und sich dann die Frage nach einem normalen Familienleben stellt und die Hämatoonkologen verpflichtet sind, Patientinnen und Patienten auf die Möglichkeit der In-vitro-Fertilisation aufmerksam zu machen, ist es dringend notwendig, die Aufbewahrungsfrist zu verlängern. Dem medizinischen Verständnis der Fachgesellschaft, der ich angehöre, und auch meinem eigenen entsprechend bin ich gegen eine Begrenzung auf ein, fünf oder zehn Jahre, sondern für eine Begrenzung auf ein bestimmtes Lebensalter beziehungsweise für eine Vernichtung dieser befruchtungsfähigen Zellen mit dem Tod der Spenderin oder des Spenders.

Ich hoffe sehr, daß die Frau Bundesministerin für Arbeit, Gesundheit und Soziales und der Bundesminister für Justiz dem Nationalrat einen Gesetzesvorschlag zuleiten werden, der diese Aspekte berücksichtigt.

Die betroffenen PatientInnen, aber auch die behandelnden ÄrztInnen werden es Ihnen danken. (Beifall bei der SPÖ.)

0.11

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Rasinger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

0.11

Abgeordneter Dr. Erwin Rasinger (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Frau Minister! Liebe Kolleginnen! Liebe Kollegen! Frau Abgeordnete Pittermann hat schon sehr richtig gesagt, daß diejenigen, die eine schwere Krebserkrankung oder Systemerkrankung überleben, mit völliger Verständnislosigkeit reagieren, wenn der Staat sich anmaßt, zu sagen: Es dürfen deine Eizellen oder deine Samen nur ein Jahr aufbewahrt werden. Ich glaube, das ist in einer Situation, in der Menschen ein hartes Schicksal durchgemacht haben, eigentlich ein Willkürakt. Der hat aber Geschichte.


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