Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 178. Sitzung / 25

Herr Bundeskanzler! Wenn wir uns nun das Volksbegehren anschauen, dann sehen wir, daß im ersten Punkt ein Hinweis auf die Bundesverfassung steht. Und auf diese Bundesverfassung haben wir alle, die wir hier sitzen und zum Teil auch stehen, einen Eid geschworen. In Artikel 7 steht, daß alle Bundesbürger vor dem Gesetz gleich sind, daß Vorrechte der Geburt, des Geschlechts und so weiter ausgeschlossen sind.

Realität ist, daß mehr als die Hälfte der Bevölkerung in unserem Land aufgrund der Vorrechte der Geburt der anderen benachteiligt sind. – Das ist ein eklatanter Verstoß auch gegen Artikel 7 unserer Bundesverfassung. Und da das so ist und da daher spürbar ist, daß das geschriebene Wort allein keine Wirkung entfaltet und vor allem dann nicht entfaltet, wenn es so geschrieben ist, wie es da steht, haben die Frauen im Frauen-Volksbegehren Überlegungen dahin gehend angestellt, diese Formulierung so zu verändern, daß allen auch klar ist, daß dieser Gleichheitsgrundsatz nicht irgend etwas ist, sondern eine Art Zielbestimmung, was in einer Gesellschaft zu erreichen ist, um Verfassungskonformität herzustellen. Diese Zielbestimmung hätte eben gelautet, daß Bund und Länder verpflichtet sind, alle Maßnahmen zu treffen, um diese Gleichstellung auch zu erreichen.

Ich sage Ihnen ganz ehrlich: Ich habe am Anfang gefunden, daß das völlig unnötig ist, da es ohnehin selbstverständlich ist. Wozu die Verfassung wieder einmal überfrachten mit Dingen, die man ja weiß und zu deren Einhaltung man sich ja verpflichtet hat? Kollegin Fekter nickt mir zu, in diesem Stadium vielleicht noch. Mein Denken hat sich allerdings dann verändert, als ich gesehen habe, mit welcher Vehemenz man sich gewehrt hat, eine solche Formulierung in die Verfassung aufzunehmen.

Wenn Sie sagen, das sei nicht wahr, dann frage ich Sie, warum Sie es nicht so beschlossen haben, wie der Antrag gelautet hat. Es hat auch einen einschlägigen Initiativantrag der Liberalen dazu gegeben. Diesen Initiativantrag haben Sie abgelehnt. Sagen Sie daher nicht, es sei nicht wahr!

Daran, daß man sich so dagegen gewehrt hat, muß ich sagen, merkt man die Absicht und ist mehr als verstimmt, denn das bedeutet, daß man diese aktive Herstellung von Gleichbehandlung und Gleichberechtigung gar nicht im Sinne hat, sondern daß man meint, es genüge, wenn es in der Verfassung steht, und was dann passiert, würde man schon sehen. Und deswegen ist es so wichtig, die Verfassung zu ändern, um in den Köpfen jener, die hier sitzen und die es daher in der Hand haben, die Spielregeln zu gestalten, in den Köpfen jener, die in den Landtagen sitzen, und auch in den Köpfen jener in den Gemeindestuben, auch wenn sie nicht Gesetze erlassen, aber sie handeln einschlägig, klar werden zu lassen, daß das nicht irgendein Grund-satz ist, zu dem man sich bekennt, sondern daß das ein Auftrag zur Aktivität ist. Dies haben Sie nicht nur nicht gemacht, sondern Sie haben es verweigert! (Beifall beim Liberalen Forum und bei Abgeordneten der Grünen.)

Herr Bundeskanzler, die Fragen muß ich Ihnen nicht verbal noch einmal stellen, denn Sie haben sie schriftlich vor sich liegen. Ich frage mich, was Sie aktiv dazu getan haben, um Ihren Koalitionspartner, wo die Frau Fekter meint, es sei ohnehin selbstverständlich, zu überzeugen. Sie meinen ja, Sie hätten die Bereitschaft gezeigt, die Verfassung in diese Richtung zu ändern. Aber reden alleine nützt den Frauen seit Generationen nichts.

Erster Punkt – und ich sage jetzt erster Punkt, weil es hier so aufgelistet ist, die Verfassung wurde sozusagen als eine Überschrift genommen –: Unternehmen erhalten Förderungen und öffentliche Aufträge nur, wenn sie dafür sorgen, daß Frauen auf allen hierarchischen Ebenen entsprechend ihrem Anteil an der Bevölkerung vertreten sind.

Die Liberalen sind die letzten, die der Privatwirtschaft und dem Markt mit Regulativen ins Handwerk pfuschen und damit den Wettbewerb verzerren wollen. Aber, Herr Kollege Puttinger, es ist immer eine Frage der Interessenabwägung und eine Frage der Hellhörigkeit für die Argumentation, die kommt. Und wenn aus Ihren Reihen in erster Linie – und das haben wir ja bei allen Reformvorschlägen festgestellt – in der Beantwortung nur reflexartig gesagt wird, warum etwas nicht geht, und kein einziges Mal ein Gedanke darüber verloren wird, wie man doch wenigstens


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