Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 180. Sitzung / 68

dauerhafte Schäden auftreten, sind für den Versuch zu nehmen. Auch dies ist im vorliegenden Gesetz nicht berücksichtigt.

Ebenso sollten Tierversuche zum Zweck der beruflichen Ausbildung längst der Vergangenheit angehören. Wir sind bitte im Zeitalter der modernen Technik, und viele Versuche, die früher am Tier durchgeführt werden mußten, können heute zum Beispiel durch Computer-Simulationen ersetzt werden.

Meine Damen und Herren! Heute werden Änderungen im Tierversuchsgesetz 1988 beschlossen; Änderungen – das gebe ich zu –, die sicher kleine Verbesserungen beinhalten, zum Beispiel das Verbot von Tierversuchen in bezug auf Kosmetika. Allerdings sind wir von modernen, zukunftsweisenden Änderungen, die auch einem echten Tierschutz das Wort reden, noch immer weit entfernt.

Herr Minister! Auch wenn Sie im Ausschuß feststellten, daß es sicher noch Bestimmungen gibt, die verbesserungswürdig wären, so frage ich Sie: Warum wurden diese nicht bereits beim heutigen Beschluß berücksichtigt?

Abschließend möchte ich noch festhalten, daß Tierversuchsregelungen nicht aus der gesamten Tierschutzproblematik herausgerissen werden dürfen. Meiner Überzeugung nach ist das ein weiteres Argument für ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz. Ich hoffe und wünsche, daß dieses in der nächsten Legislaturperiode gelingt beziehungsweise daß es Ihnen, meine Damen und Herren, gelingt, endlich ein bundeseinheitliches Tierschutzgesetz zu schaffen. – Danke. (Beifall beim Liberalen Forum und bei den Grünen.)

12.36

Präsident Dr. Heinrich Neisser: Zu Wort gemeldet ist Herr Abgeordneter Dr. Leiner. 8 Minuten freiwillige Redezeit. – Bitte.

12.36

Abgeordneter Dr. Günther Leiner (ÖVP): Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrter Herr Minister! Meine Damen und Herren! Hohes Haus! Diese Gesetzesnovelle birgt doch eine sehr weitreichende Schonung der Tierwelt in sich, und ich glaube, daß es höchst an der Zeit war, daß man die Tiere vor kosmetischen Versuchszwecken schützt.

Ich möchte aber diese Gelegenheit auch dazu nützen, einige ethisch kritische Betrachtungen der Tierversuche im Rahmen der medizinischen Forschung vorzunehmen. Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts galt in der Medizin überhaupt der Grundsatz "nihil nocere": vor allem nicht schaden. Es hat aber immer Außenseiter gegeben, welche versuchten, der Natur ihre Geheimnisse mittels Experimente mit Tieren, Sträflingen, Kriegsverbrechern beziehungsweise Gefangenen zu entreißen.

Erst in der Mitte des 19. Jahrhunderts hat Claude Bernard in seinem Buch "Einführung in die Experimentalmedizin" im Jahre 1856 das Tierexperiment zum Prüfstein jeglicher medizinischen Forschung gestellt. Es wurden damals unvorstellbare Dinge gefordert – und auch von ihm durchgeführt. Es wurden Hunde und Katzen ohne Anästhesie festgenagelt und festgebunden und physiologische Experimente und Operationen durchgeführt. – Heute sind die Methoden moderner und vielleicht geringer schmerzhaft geworden, aber trotzdem noch schmerzhaft. Nach heutiger Sicht ist es fast unmöglich, nachzuweisen, ob Tierexperimente für das Wissen in der Medizin oder klinische Forschung wesentlich sind.

Zweifellos versuchen seit Claude Bernard die Experimentatoren und ihre Anhänger immer wieder, jede wissenschaftliche Erkenntnis auf die Experimente mit Tieren zurückzuführen. Mit den Tierversuchen trat die naturwissenschaftliche Medizin in den Mittelpunkt und der Mensch in seiner Ganzheit, Leib und Seele, in den Hintergrund. Wir müssen uns wirklich die Frage stellen, ob das ein Fluch oder ein Segen für uns ist. Die naturwissenschaftlichen Ansätze verlagerten eigentlich den Schwerpunkt der Medizin weg von der Idee des Heilens hin zur Reparatur eines Organs. Das wird dadurch dokumentiert, daß man sagt, "der Magen" auf Zimmer 7, "die Galle"


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