Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 180. Sitzung / 82

Der andere Aspekt der Ehrlichkeit zum Thema selbst. Dieses Gesetz verdient an sich seinen Namen nicht. Es sollte meines Erachtens nach heißen: Schienenverkehrsmarkt-Semi-Liberalisierungsgesetz. Denn das, was da geboten wird, ist nicht Liberalisierung, sondern – gestatten Sie mir das Wortspiel – "ÖBB-iberalisierung". Es wird hier schaumgebremst, es wird hier halbherzig, es wird hier mit Abstrichen liberalisiert, und ich finde, das Wort "Liberalisierung" ist in diesem Zusammenhang daher völlig fehl am Platz. (Abg. Parnigoni: Die Grünen sind für eine gnadenlose Liberalisierung!)

Glücklicherweise haben Sie, Herr Kollege Kukacka, das bereits sehr früh erkannt. Ich habe auch Ihre Aussagen – ich hebe mir ja Ihre Aussagen auf – vom 18. Mai in der "Presse" hier, wo Sie sehr, sehr treffend die Mängel dieses Gesetzes charakterisieren und umschreiben, aber heute sagen Sie diesbezüglich, Sie hätten das in der Zwischenzeit alles beseitigt.

Ich frage Sie jetzt ganz konkret – Sie haben es nämlich nicht genannt –: Was ist besser geworden durch die Verhandlungen, die noch geführt wurden? Wo ist es besser geworden, und inwiefern ist es liberaler geworden in Ihrem Sinn? Sie haben sich nämlich weder im Ausschuß noch im Plenum genau festgelegt, wo Ihre Verhandlungsergebnisse und Verhandlungsgewinne lagen. Darum greife ich zurück auf Ihre Äußerung vom Mai, denn Sie haben ja durchaus recht. Wir haben da einen Regulator, der an sich diesen Titel nicht verdient: Schwache Kompetenzen hat er, im nachhinein darf er erst ahnden, diskriminierendes Verhalten kann nicht von vornherein ausgeschaltet werden, und insgesamt ist er bei weitem nicht so unabhängig – das ist der Hauptpunkt – wie der Regulator im Telekommunikationsbereich.

Ich habe den Gesetzestext vor mir, und Sie können selbst auch nachschlagen. Im § 82 wird die Zusammensetzung dieser Schienen-Kontrollkommission umschrieben. Da gibt es unter der Ziffer 2 wirklich sehr, sehr eigenartige Formulierungen: Es dürfen dort nicht vertreten sein: Mitglieder der Bundesregierung, weiters Personen, die aus dem ÖBB-Bereich kommen, und drittens – sehr, sehr eigenartig! – Personen, die zum Nationalrat nicht wählbar sind. Ich frage mich: Alle, die das passive Wahlrecht haben, dürfen nicht in dieser Regulierungsbehörde sitzen? Ich meine, das ist doch ein sehr erklecklicher Teil der Bevölkerung – und das steht hier drinnen.

Kommen Ausländer zum Zug? – Vielleicht ist das der neue Trend in der Liberalisierung. Dagegen haben wir im Prinzip ja gar nichts, nur die Formulierung scheint uns schon sehr eigenartig zu sein. Sie ist wirklich ein Zeichen, ein Symbol, sie ist sehr bezeichnend dafür, daß da bei weitem nicht das erreicht wird, was der Titel des Gesetzes vorgibt und was insgesamt immer – auch in den Medien – unter dem Schlagwort "liberalisieren" zu finden ist.

Deshalb schließe ich mich auch der Kritik meines Vorredners aus den Reihen der Liberalen an. Wir müssen hier weiterarbeiten, und Sie haben ja recht: Sie haben ja von einem ersten Schritt gesprochen, Herr Kollege Kukacka. Dieser erste Schritt ist wirklich ein Halbschritt gewesen und beileibe nicht das, was Sie dann als "Meilenstein" bezeichnet haben, sondern – auf oberösterreichisch ausgedrückt – es handelt sich hiebei höchstens um einen "Moarstein", um einen Grenzstein am Übergang von einem völligen monopolisierten Bereich zu einem etwas offeneren, regulierten Bereich.

So gesehen werden wir dieses Gesetz nicht mittragen können, obwohl wir hundertprozentig hinter dem Aufgabenbereich und hinter den verkehrspolitischen Notwendigkeiten der ÖBB stehen und der Ansicht sind, daß die ÖBB insgesamt besser ausgestattet werden müssen, auch von seiten der öffentlichen Hand, damit sie im internationalen – und jetzt betone ich es absichtlich – Wettbewerb bestehen und ihre Vorteile zum Tragen bringen können, damit das, was sie an günstigeren externen Kosten haben, wirklich der Allgemeinheit zugute kommt. Das ist sicherlich ein positives Element, obwohl wir dem Gesetzentwurf insgesamt nicht zustimmen können. – Danke schön. (Beifall bei den Grünen und beim Liberalen Forum.)

13.38

Präsident MMag. Dr. Willi Brauneder: Zu Wort gemeldet ist nun Herr Bundesminister Dr. Einem. – Bitte.


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