Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 180. Sitzung / 197

Franz Jägerstätter und seiner Familie Achtung und Respekt. Franz Jägerstätter wurde 1943 durch ein sogenanntes Feldurteil des Reichskriegsgerichtes wegen "Zersetzung der Wehrkraft" zum Verlust der Wehrwürdigkeit, der bürgerlichen Ehrenrechte und zum Tode verurteilt und dann hingerichtet, also ermordet. Er hatte seinem Einberufungsbefehl nicht Folge geleistet und seinen militärischen Vorgesetzten gesagt, er lehne den Kampf mit der Waffe aus religiösen Gründen ab, da ihm sein christlicher Glaube die Tötung von Menschen verbiete. – Meine Damen und Herren! Als Reserveoffizier habe ich Respekt vor dieser Haltung! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Wir sollten aber auch eingestehen, daß das strenge Anlegen unserer heutigen Wertmaßstäbe vielfach den Lebensumständen der Kriegsgeneration und der damaligen Soldaten vor mehr als einem halben Jahrhundert nicht gerecht wird. Deshalb darf die heutige Entschließung auch nicht insofern mißgedeutet werden – wie das manche zumindest unterschwellig versuchen –, daß der Deserteur prinzipiell der bessere Mensch und der Soldat der schlechtere und moralisch minderwertigere Mensch sei. Wir wollen die Desertion moralisch nicht höher stellen als die Ableistung der Dienstpflicht, der sich die meisten Soldaten gestellt haben, weil sie es für ihre Pflicht hielten, für ihr Vaterland zu kämpfen. (Beifall bei der ÖVP. – Abg. Wabl: Für welches Vaterland: das österreichische oder das deutsche?)

Meine Damen und Herren! Ein Wort noch zur Situation des Bundesheeres: Die Soldaten des österreichischen Bundesheeres – Herr Kollege Wabl, das möchte ich auch Ihnen klar hinter die Ohren schreiben! – stehen vor einer anderen Situation. Sie stehen in der Armee eines demokratischen Rechtsstaates, aber auch sie sind ihrem Staat mittels Eids verpflichtet. Die Verfassungsgrundlage der Republik Österreich gewährt unseren Soldaten die Kriegsdienstverweigerung, und sogar die Verweigerung des Militärdienstes beziehungsweise des Präsenzdienstes unter alternativer Ableistung des Zivildiensts – das ist längst de facto zur freien Wahl geworden. Das Wehrgesetz und das Militärstrafgesetz bestimmen, daß die Soldaten Befehle für den Fall ablehnen können, wenn damit die Begehung einer gerichtlich strafbaren Handlung angeordnet wird oder damit die Menschenwürde verletzt werden würde. Wenn diese Rechtsgrundlage nicht verletzt wird, darf aber selbstverständlich auch der Soldat einer demokratischen Armee nicht desertieren. Dafür würde jegliche rechtliche und politisch-moralische Legitimation fehlen, und dafür würde es von uns auch kein Verständnis geben! (Anhaltender Beifall bei der ÖVP.)

21.46

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Heinzl. – Bitte, Herr Abgeordneter.

21.46

Abgeordneter Anton Heinzl (SPÖ): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Hohes Haus! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der vorliegenden Entschließung betreffend die historische Aufarbeitung der Verurteilungen von Österreichern durch die Nazi-Militärgerichtsbarkeit setzt der Nationalrat einen wichtigen symbolischen Schritt, den ich voll und ganz begrüße, weil damit eine deutliche und unmißverständliche Ablehnung des Nazi-Verbrecherregimes verbunden ist. Weiters wird auf diese Weise klargestelllt, daß Personen, die sich diesem Regime entziehen wollten, nicht selbst als Verbrecher behandelt werden dürfen.

Da im Ausschuß von der FPÖ, insbesondere von Herrn Abgeordnetem Ofner, gesagt wurde, daß Deserteure nirgends angesehen seien, sage ich deutlich: Es ist ein ganz wesentlicher Unterschied, Hohes Haus, ob jemand aus einer Armee eines demokratischen Staates desertiert oder ob ein Österreicher aus der vom nationalsozialistischen Regime befehligten deutschen Wehrmacht desertiert ist. Hohes Haus! Dies ist die Wehrmacht, in der nach dem Juliputsch 1944 gegen den Nazi-Massenmörder Hitler mit dem Nazi-Massenmörderparteigruß gegrüßt werden mußte. (Zwischenruf des Abg. Dr. Graf.) Das nationalsozialistische Regime war – davon bin ich zutiefst überzeugt – das verbrecherischste Regime in der Geschichte der Menschheit! (Beifall bei der SPÖ.)


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