Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 180. Sitzung / 198

Sehr geehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Auch alle anderen Argumente der FPÖ in diesem Zusammenhang sind nur als zynisch und unsachlich zu bezeichnen! (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Ich bin weit davon entfernt, alle Wehrmachtsangehörigen beziehungsweise die Kriegsgeneration pauschal zu verurteilen oder diese in ein schlechtes Licht zu rücken. (Abg. Scheibner: Warum tun Sie es dann?) Herr Kollege Scheibner! Ich glaube aber, daß man nicht sagen kann, daß mit dem heutigen Beschluß jene Soldaten diskriminiert werden, die nicht desertiert sind. Dazu muß man auch wissen, daß die vorliegende Entschließung juristisch gesehen – ich glaube, diesbezüglich sind wir einer Meinung – kaum etwas Neues bringt. Denn unsere Justiz war schon bisher der Auffassung, daß die Nazi-Militärjustiz in ihrem Verfahrensrecht rechtsstaatlichen Grundsätzen prinzipiell nicht entsprochen hat, daß es sich bei der deutschen Wehrmacht entsprechend der herrschenden Okkupationstheorie um eine fremde Armee gehandelt hat und daß einschlägige Verurteilungen von österreichischen Staatsbürgern als nicht erfolgt gelten. – Der Herr Bundesminister für Justiz hat in einer Anfragebeantwortung diesbezüglich schon wichtige Klarstellungen vorgenommen.

Hohes Haus! Sehr verehrte Damen und Herren! Trotzdem bin auch ich nicht der Auffassung, daß Desertion etwas grundsätzlich Positives ist. So bekenne ich mich dazu, daß eine Desertion aus einem Bundesheer eines demokratischen Staates, etwa unserer Republik Österreich, auch strafrechtlich verfolgt werden kann. Aber ich sehe, wie ich soeben gesagt habe, einen riesigen Unterschied zwischen einer Desertion aus dem Heer eines demokratischen Staates und einer Desertion aus der Wehrmacht des Nazi-Staates!

Meine sehr verehrten Damen und Herren! Hohes Haus! Ich finde, daß es notwendig ist, daß man diesen Unterschied erkennt, wie es auch notwendig ist, daß man den unendlich großen Unterschied zwischen unserer demokratischen Republik und dem nationalsozialistischen Unrechtsregime insgesamt erkennt und auch entsprechend würdigt. Denn jenen, Hohes Haus, die sich geweigert haben, auf Frauen und Kinder zu schießen, Menschen in die Gaskammern zu liefern und Dörfer und Städte niederzubrennen, und sich deshalb von ihrer Armee entfernt haben, gebührt Ehre! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

Hohes Haus! Wenn diese aus jenen Gründen – und es gibt noch viele mehr – desertiert sind, dann gebühren ihnen unsere Anerkennung und unser Respekt. Ich sage von diesem Pult aus: Auch diese Menschen waren Widerstandskämpfer für ein freies, demokratisches und friedliches Österreich! (Beifall bei der SPÖ.)

Hohes Haus! Zusammenfassend sei gesagt: Ich breche keineswegs den Stab über jenen vielen Tausenden Österreichern, die, meist ohne es selbst zu wollen, in der deutschen Wehrmacht gedient haben und nicht desertiert sind. Unzählige von ihnen wurden – wie wir wissen – selbst Opfer des grausamen nationalsozialistischen Krieges.

In Anbetracht all dessen halte ich es für richtig, daß wir heute für die Deserteure und andere Opfer der Nazis und der Nazi-Militärgerichtsbarkeit einen symbolischen Schritt setzen. Denn schließlich haben auch diese Menschen objektiv mit dazu beigetragen, daß der Nationalsozialismus letztendlich nicht gesiegt hat, sondern in Schimpf und Schande untergegangen ist!

Hohes Haus! Aus den Reden der FPÖ-Abgeordneten zu diesem Thema hört man immer wieder die Ideologie der Ewiggestrigen heraus. – Ich bin stolz darauf, Hohes Haus, daß unsere demokratische Republik Österreich stark genug ist, daß wir uns von den Ewiggestrigen nicht fürchten müssen. Wachsam müssen wir aber trotzdem sein: Wehret den Anfängen! (Beifall bei der SPÖ und bei Abgeordneten der Grünen.)

21.53

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Mag. Barmüller. Zweite Wortmeldung, Restredezeit: 16 Minuten. – Bitte.

21.53

Abgeordneter Mag. Thomas Barmüller (Liberales Forum): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Ich habe mich noch einmal zu Wort gemeldet, um kurz auf die


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