Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 180. Sitzung / 207

Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Haupt. Er hat die gleiche Redezeit. – Bitte.

22.24

Abgeordneter Mag. Herbert Haupt (Freiheitliche): Sehr geehrte Damen und Herren! Ich glaube, die heutige Debatte um die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses nimmt jetzt schön langsam kuriose Formen an.

Sehr geehrter Herr Kollege Kiss! Ich teile Ihre Meinung: Die Verteidigung der Demokratie in diesem Hohen Hause und auch die Verteidigung der Rechte unserer Abgeordneten und das Durchsetzen, daß keine Pressionen gegen Abgeordnete dieses Hohen Hauses ausgeübt werden, hätte ich mir gestern schon durch den Präsidenten und das Präsidium gewünscht und wünsche ich mir auch heute und in aller Zukunft. (Beifall bei den Freiheitlichen.)

Meine gestrigen Worte zu diesem Thema waren deutlich genug und sind in der Zukunft in den entsprechenden Protokollen nachzulesen, falls es solche noch geben wird. Ich bin auch dankbar dafür, daß wenigstens Kollege Brix heute nach einer 24stündigen Schrecksekunde das nachgeholt hat (Abg. Dkfm. Holger Bauer: Der braucht immer so lang! – Abg. Leikam: Da ist der Bauer schon schneller!), was ich mir schon gestern in den immerhin zwei Wortmeldungen des Klubobmanns der stärksten Fraktion, jener, die hier aus Verfassungsgründen über die Sperrminorität mit mehr als einem Drittel der Abgeordneten dieses Hohen Hauses verfügt, gewünscht hätte: kein dürres Zitat der Bundesverfassung, sondern einen entsprechenden Schutz der Demokratie und einen Schutz der Abgeordneten. – Das, Herr Kollege Kostelka, haben Sie gestern nicht zuwege gebracht.

Nunmehr zur politischen Verantwortung: Sie haben richtigerweise gesagt, daß sich Frau Bundesminister Hostasch für Herrn Kollegen Gerstbauer – im Sinne des "Kollegen" von Stuhlpfarrer und nicht in dem für die Abgeordneten dieses Hauses geltenden Sinne von "Kollegen" – vor diesem Hohen Haus und auch im Ausschuß in entsprechender Form mehrstündig gerechtfertigt hat, ihre Sicht und ihre Darstellung gegeben hat. Ich nehme auch zur Kenntnis, daß Frau Bundesminister Hostasch in bezug auf jene Aussagen, die Herr Gerstbauer in den letzten 48 Stunden getätigt hat, sofort und klar ihre abweichende Meinung und Position vertreten hat.

Nicht jedoch, Herr Kollege Kiss, teile ich Ihre Meinung, daß der Herr Bundeskanzler sich geäußert hat. (Abg. Kiss: O ja! In den Medien!) Er hat sich in den Medien geäußert, zu vielen Themen, zu anderen Themen, und hat mehrfach das Kommen versprochen. (Abg. Scheibner – in Richtung ÖVP –: Aber da wolltet ihr ihn nicht haben!) Wir haben gerade vorhin darüber diskutiert, daß es Vorverurteilungen nicht geben kann, auch nicht solche im demokratischen Sinn der politischen Verantwortung. Eine endgültige Beurteilung des Herrn Bundeskanzlers und seiner Schuld oder seiner Nichtschuld im politischen Sinne wird es erst dann geben, wenn der Herr Bundeskanzler selbst eindeutig und klar ausgesagt hat.

Was Ihre Haltung betrifft – so verlockend sie in Wahlzeiten sein mag –, die Meinung oder Meinungsenthaltung des Herrn Bundeskanzlers ohne Gegenäußerung im Sinne des österreichischen Rechtsstaates als Zustimmung zu Stuhlpfarrer/Mock zu interpretieren, so mögen Sie recht haben. Wenn man aber einen höheren demokratischen Standpunkt einnimmt, so ist nur durch die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses, bei dem der Herr Bundeskanzler nach der Strafprozeßordnung einer Aussagepflicht und demgemäß auch einer Pflicht zur Aussagewahrheit unterliegt, eine objektive Betrachtung seiner Schuld oder Nichtschuld und seiner politischen Verantwortung möglich. Wenn Sie sich dieser Meinung anschließen würden, würde es mich aus rechtspolitischer Sicht freuen. Wenn Sie die andere Meinung vertreten, daß man unter der Rechtssicherheit des österreichischen Staatswesens den Grundsatz "Wer schweigt, stimmt zu" gelten lassen soll, dann machen wir uns vielleicht verdächtig, dieses Thema in den Wahlkampf ziehen zu wollen – was Sie ja vorgeben, mit einem Untersuchungsausschuß nicht tun zu wollen – und nicht ein objektives Verfahren anstreben zu wollen.

Ich glaube daher, wenn man Demokrat ist, wenn man eine entsprechende Verantwortung hat und beide Seiten hören will, wenn man es mit dem "audiatur et altera pars" wirklich ernst meint,


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite