Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 181. Sitzung / 107

nach parteipolitischen Gesichtspunkten entschieden wie über einen zweiten Geschäftsführer der Österreich Werbung, nachdem der ÖVP bewußt geworden war, daß der bisherige Alleingeschäftsführer SPÖ-Mitglied ist. Damit alles seine Richtigkeit hat, mußte auch die Post und Telekom Austria AG – hoffentlich nicht zum Nachteil des Unternehmens, das sich nun im Wettbewerb gegen starke internationale Konkurrenz behaupten muß – neben dem roten Sindelka den schwarzen Vorstandszwilling Stiegler aus dem Wirtschaftsministerium bekommen, während gleichzeitig ein Massenabbau von Dienstnehmern erfolgt. Klar ist, daß die Flughafen Wien AG, deren bisheriges rot-schwarzes Vorstandsduo, wie der Rechnungshof aufgedeckt hat, wegen Verschleuderung von vielen Millionen untragbar geworden ist, wieder einen parteipolitisch austarierten Vorstand erhalten hat. In Erinnerung ist auch das Lavieren der Koalitionsparteien bei der jüngsten Neubestellung des ORF-Kuratoriums, als die SPÖ bei der Auswahl der Vertreter der Hörer- und Sehervertretung intensive Überlegungen zum Erhalt der Kuratoriumsmehrheit anstellte.

Es ist nicht verwunderlich, daß in Österreich auch die Kunst zur Spielwiese parteipolitischer Personalentscheidungen geworden ist. Unwidersprochen geblieben ist die Feststellung, daß die Leitung der ausgegliederten Bundestheatergesellschaften an politische Günstlinge vergeben wurde. Ein aktuelles Beispiel ist die Ausschreibung der Leitung der Graphischen Sammlung Albertina: Obwohl sie das größte Graphikinstitut der Welt ist, wurde keine internationale Ausschreibung durchgeführt. In der 5köpfigen Kommission gab es nur einen Kunsthistoriker, aber dafür zwei weisungsgebundene Beamte des Unterrichtsministeriums. Nur im Vergleich: Für die Neubesetzung der Direktion des Van Gogh Museums in Amsterdam hat man sich bei der Ausschreibung ein Jahr Zeit genommen, diese wurde auch international durchgeführt, und es haben sich insgesamt 200 Bewerber gemeldet. Die gesamte Albertina-Ausschreibung wurde auf die Person von Klaus Albrecht Schröder zugeschnitten, der als kaufmännischer Direktor des Leopold-Museums ausgeschieden ist. Er stand somit als neuer Albertina-Direktor von vornherein fest: Die Bestellung durch Frau Bundesminister Gehrer war nur noch Formsache.

Der Postenschacher macht aber auch nicht vor dem Fachhochschulrat halt: Wissenschaftsminister Einem und Unterrichtsministerin Gehrer können sich nicht einigen, wer in Zukunft an die Spitze dieses Gremiums berufen werden soll: Auch hier sind nicht anerkannte Fachleute, sondern Ex-Politiker (Lacina, Hawlicek, Lukesch) im Gespräch, auch hier ist nicht in erster Linie die Qualifikation entscheidend sondern die politische Farbenlehre. Der scheidende Präsident des Fachhochschulrates Prof. Günther Schelling dazu: ,Wir sind über eine solche Vorgangsweise in der Politik schockiert!‘

Es ist zu befürchten, daß ähnliche Vorgänge auch der Bestellung des zukünftigen Akkreditierungsrates vorangehen werden.

Legendär ist der seit Jahren betriebene Postenschacher um die Richterstellen beim Verfassungsgerichtshof: Einer alten Abmachung zwischen SPÖ und ÖVP zufolge werden die Richterstellen bei diesem Höchstgericht zwischen Rot und Schwarz aufgeteilt, was unlängst sogar der Präsident dieses Gerichtes Prof. Adamovich kritisiert hat. Bewerber ohne Naheverhältnis zu diesen Parteien gelten von vornherein als nicht qualifiziert. Diese Parteien halten allerdings das Funktionieren des Verfassungsgerichtshofes nicht für besonders wichtig. Sonst wäre es nicht möglich gewesen, daß eine freigewordene Richterstelle ein Jahr lang unbesetzt geblieben ist und diese Verzögerung von Bundeskanzler Klima dem Parlament gegenüber mit einem ,bürokratischen Versehen‘ begründet wird.

Der rot-schwarze Proporz wird jedoch nicht nur bei Personalentscheidungen sichtbar, sondern er tritt auch bei der Kompetenzverteilung der Ressorts deutlich zutage, und zwar insbesondere dort, wo es um politischen Einfluß und Fördertöpfe geht. All dies muß zwischen den Koalitionären geteilt werden – sachgerechte Argumente müssen dabei in den Hintergrund treten –, und wenn eine Einigung nicht erzielt wird, dann ist jede Reform gestorben. Bestes Beispiel: die Forschungs- und Technologiepolitik. Bereits im Sommer 1997 beauftragten Bundeskanzler Klima und Vizekanzler Schüssel zwei Männer aus der Praxis damit, den Dschungel an Förderungsfonds zu roden. Siemens-Generaldirektor Albert Hochleitner und TU-Professor Arno Schmidt


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