Nationalrat, XX.GP Stenographisches Protokoll 182. Sitzung / 121

Solche Spitzfindigkeiten gab es wirklich sonder Zahl. Die WHO definiert das als Krankheit. Die Sozialversicherung hat gesagt: Wir lassen uns klagen; das ist keine Krankheit!

Ich habe mir im Zuge der Recherchen über diese ungewollte Kinderlosigkeit einen Artikel aus "Soziale Sicherheit" – das ist die offizielle Zeitschrift des Hauptverbandes – vor Augen geführt. Zehn Seiten lang wurde nur herumdefiniert, sodaß ich als Arzt – der glaubt, halbwegs Experte zu sein – am Schluß nur noch verwirrt war. Was ist eine Krankheit; eine WHO-Krankheit; eine Sozialversicherungskrankheit, eine OGH-Krankheit; Krankheitswert oder -nichtwert?

Mit solchen Spitzfindigkeiten würde in Österreicher kein Raucher, kein Alkoholiker, kein Übergewichtiger mehr überhaupt eine Leistung bekommen. Denn man kann ihnen alles wegdefinieren oder hineindefinieren.

So gesehen, bin ich froh darüber, daß wir einen typisch österreichischen Mittelweg gefunden hat. Das Wort "sozial" wäre nämlich sonst unsozial geworden und ein Zeichen für Hartherzigkeit gewesen.

In den Beantwortungen vieler Anfragen, die zum Beispiel Frau Abgeordnete Povysil oder die wir eingebracht haben, wurde das mit dem "Totschlagargument" weggewischt: Das kostet 3,6 Milliarden Schilling – wollt ihr eine Beitragserhöhung? –, das können wir uns nicht leisten!

Wir haben das nachgerechnet. Ich konnte einer sehr gesprächsbereiten Ministerin – das möchte ich hier ausdrücklich erwähnen – nachweisen, daß das Ganze nicht mehr als 100 Millionen Schilling kostet. Ich möchte jetzt nicht banal sagen, daß manche das aus der Portokasse zahlen, aber bei 126 Milliarden Schilling, die die soziale Krankenversicherung zur Verfügung hat, ist das meiner Ansicht nach ein Betrag, über den man zumindest nachdenken kann. Darum hat es mich am Anfang gestört, daß man sagte: nicht durchdacht und finanziell nicht zu lösen.

Was ist jetzt endgültig das Ergebnis? – Ungefähr 100 000 S kostet es durchschnittlich, wie wir gehört haben; drei Versuche braucht man in etwa; 70 Prozent zahlt jetzt die öffentliche Hand, aufgeteilt auf Familienlastenausgleich und Sozialversicherung.

Wenn ich von Frau Abgeordneter Gredler – dort oben ist sie – höre, das sei zu großzügig, und wozu geben wir das aus, kann ich nur sagen: Es gab in Österreich einen Aufstand, als wir den Selbstbehalt von 50 S eingeführt haben. Jetzt hingegen ist ein Selbstbehalt von 30 000 S zu großzügig? – Ich hätte ihn gerne etwas niedriger gehabt, aber das war ein ausdrücklicher Wunsch unseres Koalitionspartners. Da habe ich gesagt: Okay, in Gottes Namen, wir fressen auch das, damit wir eine Lösung zustande bringen! (Abg. Dr. Gredler: Unter sozialen Gesichtspunkten!)

Das Ergebnis läßt sich international durchaus sehen. Vier Versuche pro Kind; auch die neuen Methoden über die In-vitro-Fertilisation hinaus werden bezahlt; und vor allem wird auch die Qualitätssicherung ein wesentlicher Bestandteil des Gesetzes sein. Mir ist es endgültig Wurscht, ob die Kinder dann Martin, Lore, Erwin oder Brigitte heißen. (Abg. Böhacker: "Erwin" ist schön!) Es geht mir um die Einstellung, die wir gegenüber Kindern haben, aber auch gegenüber kranken Menschen oder gegenüber Menschen, die glauben, unter Streß oder psychischer Beeinträchtigung zu stehen.

Wenn wir es mit der In-vitro-Fertilisation, diesem Ermöglichen auf Kosten der öffentlichen Hand, schaffen, den Kinderwunsch irgendwie zu lindern, dann werden wir mit jenen vielleicht 1 500 Kindern mehr, die deshalb auf die Welt kommen – ich meine, wir werden noch einmal in eine Zeit kommen, in der wir Kinder sozusagen vergolden werden, weil wir rückläufige Geburtenraten haben –, viel Freude haben.

So gesehen, ist es ein gutes Gesetz. Es ist ein menschliches Gesetz, und es bedeutet vor allem ein Stück mehr soziale Wärme in unserem Staate. – Danke. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der SPÖ.)

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