Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 1. Sitzung / Seite 16

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

auf formale Kriterien zurückziehen sollte: Das sind die Stärksten, das sind die Zweitstärksten, die anderen sind die Drittstärksten – und fertig. (Abg. Dr. Riess-Passer: Das ist Demokratie, Herr Professor! – Abg. Mag. Trattner: Sie legen es so aus, wie Sie es brauchen!)

Der Erste Nationalratspräsident ist immerhin, wenn ich nicht irre, protokollarisch der zweite Mann oder die zweite Frau, je nachdem – sogar vor dem Herrn Bundeskanzler –, in unserem Staate, hinter dem Herrn Bundespräsidenten. Und wenn Heinz Fischer etwa Grippe hat, dann ist es halt der Zweite Nationalratspräsident, der dieses Land nach innen und außen vertritt. (Neuerlicher Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) Protokollarisch, schön und gut, es ist nur protokollarisch, wenn Sie so wollen. Es ist weiter keine Machtfülle damit verbunden, aber es ist eine wichtige repräsentative Aufgabe, ein wichtiges repräsentatives Amt, das dieses Land zu vergeben hat. Wenigstens darin wird mir Herr Kollege Scheibner sicher zustimmen.

Die FPÖ mutet uns zu, ihren Kandidaten zu wählen. Die Eigenschaften des Obmannes der FPÖ werde ich jetzt nicht alle wieder aufzählen. Es genügt, daran zu erinnern, dass die Beschäftigungspolitik des "Dritten Reiches" für ihn "vorbildlich" war. Ich verstehe die ÖVP, die drittgrößte Fraktion dieses Hauses nicht – die, nebenbei gesagt, für mich die zweitgrößte ex aequo ist –, wie sie mit solchen politischen Äußerungen umgeht, dass sie sie einfach ignoriert. Aber lassen wir das alles beiseite. Ich habe keine Lust und nicht die Zeit, hier alle Äußerungen von Dr. Haider aufzuzählen. (Abg. Mag. Schweitzer: Warum tun Sie es dann? – Abg. Mag. Trattner: Aber anreißen tun wir es schon!)

Aber Herr Dipl.-Ing. Prinzhorn, dessen Äußerungen in der "Stuttgarter Zeitung" schon von Herrn Kostelka erwähnt wurden, hat diesen Unsinn, diesen Schwachsinn meines Wissens bis heute nicht zurückgenommen. Vielleicht meldet er sich anschließend zu Wort und tut es, aber das ist mir zu wenig. Es war schon mindestens drei Wochen lang Zeit, das zurückzunehmen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Herr Scheibner! Sie appellieren hier und heute an den Konsens dieses Hauses. An welchen Konsens?, frage ich Sie. Natürlich gibt es einen Konsens über formale demokratische Spielregeln. Dass Sie daraus ein Recht auf den Zweiten Nationalratspräsidenten ableiten könnten, das sehe ich nicht. Einen Konsens über Äußerungen, wie sie gegenüber der "Stuttgarter Zeitung" gefallen sind, den wird es in diesem Haus wohl hoffentlich nie geben. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es herrschte, zumindest minutenlang, eine gewisse weihevolle Atmosphäre in diesem Hause, aber wenn man sich für einen Augenblick davon befreit, dann, würde ich sagen, erkennt man, dass das Kalkül der Freiheitlichen doch relativ einfach ist: Herr Abgeordneter Prinzhorn wollte und will Kanzler werden, nur steht ihm leider nicht nur der jetzige Kanzler, sondern auch Herr Dr. Haider im Weg. Herr Abgeordneter Prinzhorn wollte und will vielleicht immer noch Klubobmann werden, aber da steht ihm Herr Kollege Scheibner im Weg. (Abg. Scheibner: Und wie war das bei Ihnen in Ihrer Fraktion? – Abg. Ing. Westenthaler: Petrovic weggeräumt, abserviert! – Abg. Aumayr: Wie gehen Sie mit Ihren Kolleginnen um? – Abg. Scheibner: Wie gehen Sie mit den Frauen in Ihrer Fraktion um?) Ich wollte auch Klubobmann werden – und ich wurde es auch. (Neuerliche Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Weil es Herr Prinzhorn aber nicht werden konnte, haben Sie gesagt: Dann machen wir ihn doch wenigstens zum Zweiten Nationalratspräsidenten, damit vorläufig Ruhe ist. (Anhaltende Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Wer von der Volkspartei, wer von den Sozialdemokraten, frage ich mich, macht da mit? Sie können da wirklich mitmachen, allen Ernstes, in einer eminent politischen Frage, nicht in einer formalen demokratischen Frage, Herr Klubobmann und Vizekanzler Schüssel?

Haben Sie nicht – ich meine jetzt jeden einzelnen Abgeordneten und jede einzelne Abgeordnete von den Sozialdemokraten und von der Volkspartei – heute eine gewisse Nagelprobe zu bestehen? Sind Sie nicht ins Ausland gefahren und haben Ihren Kollegen erklärt, was in Österreich los oder nicht los ist? Hat nicht der Bundeskanzler persönlich dem einen oder anderen Auslandsjournalisten zu erklären versucht, wie das Wahlergebnis zu interpretieren ist et cetera?


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite