Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 6. Sitzung / Seite 24

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die Selbständigen, für die unselbständig Beschäftigten, für die WerkvertragsnehmerInnen sehe ich nicht in diesem Regierungspaket. (Zwischenruf des Abg. Scheibner. ) Die Steuerentlastung, Herr Scheibner, wird einer Person in diesem Land, die nicht einmal 10 000 S verdient, nichts nützen. (Beifall bei den Grünen.)

Ich lese Ihnen etwas vor, weil Sie in den letzten Wochen immer von den Menschen in diesem Land bis zum Erbrechen gesprochen haben. (Abg. Scheibner: Sagen Sie, wie sprechen Sie überhaupt?!) "Die Menschen in diesem Land" – das war die Beschwörungsformel, mit der man von Seiten der ÖVP und von Seiten der SPÖ versucht hat, den Menschen draußen in diesem Land näher zu sein, obwohl man ihnen so fern war wie nie zuvor, weil nur um Posten geschachert wird. Die eigentlichen Interessen der Menschen in diesem Land sind Ihnen so fern wie nur etwas.

Ich lese Ihnen also jetzt vor, was mir eine Frau, die Rechtsanwaltshelferin war, geschrieben hat:

"Durch die geringe Bezahlung in der Kanzlei machte meine Arbeitslosenunterstützung nach der Kündigung monatlich 3 300 S aus." – Diese Frau hat noch ein Kind zu versorgen: 3 300 S!

Und weiters: "Da ich mich damals körperlich außer Stande sah, eine Arbeit anzunehmen, war ich auf die Unterstützung des AMS angewiesen."

Ich erspare es Ihnen, die Schikanen aufzuzählen, denen diese Frau dabei ausgesetzt war – und die Sie noch verschärfen wollen, meine Damen und Herren von der Freiheitlichen Partei!

Und diese Frau schreibt weiter: "Wie lebte ich beziehungsweise wie überlebte ich? Nachhilfestunden, Putzen, Kinder aufpassen – und immer in Angst, das AMS könnte mir auf diese paar Hunderter draufkommen und mir die Unterstützung und somit auch die Versicherung streichen, wie mir das auch immer wieder von Seiten des AMS angedroht wurde. Im November 1998 fand ich für vier Stunden in der Woche eine geringfügige Anstellung bei einer Gynäkologin für ganze 1 600 S im Monat. Um endlich dem AMS zu entkommen, kündigte ich die Unterstützung, und seither versichere ich mich um monatliche 550 S selbst. Im November und Dezember des Vorjahres verdiente ich insgesamt 8 369 S. Das sind ein bisschen über 4 000 S monatlich, und somit liege ich um 354 S über der Geringfügigkeitsgrenze. Heute erhielt ich ein Schreiben von der Gebietskrankenkasse, dass ich genau wegen Überschreiten dieser Geringfügigkeitsgrenze 1 160 S nachzuzahlen habe. Ich weiß: Vorschrift ist Vorschrift." – Zitatende.

Und diese Menschen führen Sie dauernd im Mund, für diese Menschen machen Sie Politik, wie Sie immer sagen – und haben dabei nur Ihre Ministerposten im Kopf?! Diese Menschen wissen, was sie von dieser Regierung und von den potentiellen Regierungen zu erwarten haben. Und ich sage Ihnen seitens der Grünen: Gegen diesen Kurs, egal, wer mit wem hier packelt, wird es den entschiedenen Widerstand der Grünen geben! (Beifall bei den Grünen.)

9.12

Präsident Dr. Heinz Fischer: Das Wort erhält der Herr Bundesminister für Finanzen, um zum Gegenstand der Aktuellen Stunde eine Stellungnahme abzugeben. Diese soll 10 Minuten nicht überschreiten. – Bitte, Herr Minister.

9.13

Bundesminister für Finanzen Rudolf Edlinger: Sehr geehrter Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren des Nationalrates! Anlass für die von den Grünen verlangte Aktuelle Stunde sind der gescheiterte Koalitionspakt zwischen SPÖ und ÖVP und die Inhalte, die dieser Koalitionspakt gehabt hätte. In der Tat – und das ist nicht wegzudiskutieren –: Der Pakt zwischen SPÖ und ÖVP ist gescheitert. Er ist gescheitert, obwohl die SPÖ-Verhandler aus meiner Sicht inhaltlich sehr weit gegangen sind – zu weit, wie manche meinen. Er ist gescheitert, weil der, wie ich meine, untaugliche Versuch unternommen wurde, erstens die notwendige Konsolidierung fortzusetzen, zweitens zugleich Transfers in verschiedenen Bereichen auszubauen und drittens zeitgleich die Lohnnebenkosten erheblich zu senken. Diese Zielsetzungen, auf die man sich mit sehr viel Mühe zu verständigen versucht hat, zu erreichen, wäre


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