Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 6. Sitzung / Seite 43

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Van der Bellen. – Bitte.

10.30

Abgeordneter Dr. Alexander Van der Bellen (Grüne): Herr Präsident! Herr Bundesminister! Meine Damen und Herren! Lieber Herr Kollege Gartlehner! (Ruf bei den Freiheitlichen: Der ist nicht mehr da!) – Ist er noch da? Vielleicht hört er es. – Wir haben im Ausschuss schon über den Bundesrechnungsabschluss 1998 gesprochen. Herr Kollege! Einige Punkte, glaube ich, haben Sie sich nicht notiert, die wir dort besprochen haben. Dass der Budgetvollzug 1998 übereingestimmt hat mit dem Bundesvoranschlag 1998, das hat ohnehin niemand bestritten im Ausschuss. Es wurde von mehreren Seiten, darunter auch vom Rechnungshofpräsidenten selbst, angemerkt, dass der Vollzug mit dem Voranschlag übereinstimmt. Das ist zwar schön und gut, aber das heißt noch lange nicht, dass der ursprüngliche Voranschlag in Ordnung war.

Und das ist die eigentlich interessante politische Frage. Das andere ist ein Formalakt, von dem wir hoffen, dass es, wenn schon nicht gerade eine Selbstverständlichkeit, so doch immerhin die Regel ist, dass der Vollzug mit dem Rechnungsabschluss übereinstimmt. Aber es darf schon auch die Frage erlaubt sein, was vorher ist. Und da muss ich schon sagen: Einer der Punkte ist, dass man sich mit einem Rechnungsabschluss auseinander setzt, um etwas für die Zukunft zu lernen. In diesem Zusammenhang ist natürlich die Frage, was Vollzug und was Rechnungsabschluss ist, interessant. Aber die andere Frage ist: Was war mit dem Budget selbst, und wie schleppen sich die Probleme, die sich damals schon abgezeichnet haben, in Zukunft fort?

Was das Budget selbst betrifft, lieber Herr Gartlehner: Im Jahr 1998 hatten wir mit einem Defizit von 2,4 Prozent des BIP das damals zweithöchste in der EU – damals schon, 1998! –, im Jahr 1999 das höchste ex aequo mit Italien, und im Jahr 2000 liegen wir einsam an erster Stelle, also eine "Spitzenposition", was das Defizit betrifft. Das ist die Budgetpolitik der vergangenen Bundesregierung – und ich betone: Regierung, denn die hat sich bekanntlich aus Sozialdemokraten und Volkspartei zusammengesetzt. (Abg. Hagenhofer: Aber die Frage ist schon, wie es den Menschen geht in diesem Land!)

Lieber Herr Stummvoll! Ich habe mir schon gedacht, dass heute diese Beiträge kommen: Sünden der Vergangenheit, wir ganz unschuldig, nichts gewusst, Edlinger hat alles verschwiegen. – Das ist ja so lächerlich! (Abg. Dr. Stummvoll: Sie widerlegen etwas, was niemand behauptet hat!) Lieber Herr Stummvoll! Alle ÖVP-Redner – alle! – haben das in der vergangenen Aktuellen Stunde behauptet, alle, auch Sie, Frau Bauer und andere. Ich habe mir heute Früh noch schnell angeschaut, wie das war mit der Zunahme der Finanzschuld in der Periode der großen Koalition von SPÖ und ÖVP von 1986 bis 1999. – Sie müssen das vertreten, nicht ich.

Die Zunahme der Finanzschuld in dieser Periode der großen Koalition beträgt exakt 1 000 Milliarden Schilling, eine Billion Schilling. Das ist die Politik der SPÖ/ÖVP-Regierung gewesen. Dazu kann man stehen, wie man will, aber verschweigen Sie nicht: Sie waren dabei – frei nach Goethe – in den napoleonischen Kriegen. Sie waren dabei!

Wenn wir also natürlich den Finanzminister verantwortlich machen für diese Entwicklung, so betrifft das nur die Hälfte der Verantwortung: Die andere Hälfte hat selbstverständlich der Regierungspartner zu tragen, und ich werde jetzt nicht wiederholen, weshalb spätestens ab März 1999 allen am Budget Interessierten bekannt war, dass sich für das Jahr 2000 mindestens eine Lücke von 20 bis 25 Milliarden Schilling auftut, wenn man das Stabilitätsprogramm der Bundesregierung ernst nimmt. – Dieser letzte Konditionalsatz ist natürlich eine gewagte Hypothese. Aber wenn man das ernst genommen hätte, dann wäre klar gewesen, und zwar seit einem Jahr jetzt, dass diese Lücke existiert. Das war selbstverständlich auch Ihnen klar, denn Sie kennen ja die einschlägigen Daten. (Abg. Dr. Stummvoll: Bis 20 Milliarden wäre es auch kein Problem, Herr Kollege! – Bundesminister Edlinger: Mehr fehlt auch nicht!)

Inzwischen hat sich die Situation weiter verschlimmert. Die OECD prognostiziert – das ist natürlich nur eine Vorschau – für das Jahr 2000 ein aktuelles Budgetdefizit von 2,5 Prozent – das wissen wir schon seit einem Jahr –, aber ein strukturelles Budgetdefizit von 2,7 Prozent. Das muss man sich einmal auf der Zunge zergehen lassen! Das bedeutet, dass die OECD ohnehin an


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