Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 12. Sitzung / Seite 139

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3. Punkt

Bericht des Verfassungsausschusses über den Entschließungsantrag 50/A (E) der Abgeordneten MMag. Dr. Madeleine Petrovic und Genossen betreffend Anerkennung der Massaker an der armenischen Bevölkerung 1915 bis 1917 im Osmanischen Reich als Völkermord (44 der Beilagen)

Präsident Dipl.-Ing. Thomas Prinzhorn: Wir gelangen nun zum 3. Punkt der Tagesordnung.

Auf eine mündliche Berichterstattung wurde verzichtet.

Zu Wort gemeldet hat sich Frau Abgeordnete Jäger. Freiwillige Redezeitbeschränkung: 8 Minuten. – Bitte.

17.52

Abgeordnete Inge Jäger (SPÖ): Herr Präsident! Herr Minister! Herr Staatssekretär! Frau Staatssekretärin! Sehr geehrte Damen und Herren! Zweifellos gehört der Völkermord an den Armeniern in der Zeit von 1915 bis 1917 zu den abscheulichsten Verbrechen, die im 20. Jahrhundert begangen wurden. Beispiellos ist auch das Leugnen dieses Genozids, das Verdrehen von Tatsachen durch viele türkische Regierungen bis zum heutigen Tag.

Deshalb begrüße ich den vorliegenden Antrag, das heißt, die Behandlung dieses Themas im Menschenrechtsausschuss – alleine schon deshalb, weil zum damaligen Zeitpunkt Österreich-Ungarn als verbündeter Staat starke historische Beziehungen zur damaligen Türkei hatte.

Ich möchte aber der Behandlung im Menschenrechtsausschuss nicht vorgreifen, was die Anerkennung im Sinne der Konvention zur Verhinderung und Bestrafung der Verbrechen des Völkermordes, verabschiedet von der UN-Generalversammlung am 9. Dezember 1948, anlangt. Ich denke, dass wir im Menschenrechtsausschuss genau und gründlich darüber sprechen sollten, wie sinnvoll es ist, verschiedene Arten der Genozide, die sehr lange zurückliegen, nach dieser Konvention, die nach dem Zweiten Weltkrieg angesichts der Tötung so vieler jüdischer Menschen beschlossen worden ist, gleichzusetzen.

Ich möchte aber schon sagen, dass es sehr bedauerlich ist, dass die Türkei bis heute eine sehr rückständige und zu großen Spannungen führende Minderheitenpolitik betreibt. Ich möchte das am Beispiel der Kurden festmachen. Es wird ihnen eine eigene Sprache und eine eigene Kultur untersagt. Ich denke, dass zur Europareife auch – diesbezüglich muss man die Türkei in die Pflicht nehmen – ein modernes Minderheitenrecht und ein ordentliches Verhältnis zu historischen Wahrheiten und zur historischen Vergangenheit gehören. Positiv in diesem Zusammenhang erwähnen möchte ich, dass sich die Türkei letztlich dazu durchgerungen hat, die Hinrichtung des kurdischen Führers Öcalan zu vertagen. Damit ist man einem Erkenntnis des Europäischen Gerichtshofes zuvorgekommen und hat diese Frage ordentlich behandelt.

Ich möchte noch kurz zu dem armenischen Völkermord Stellung nehmen. Die Armenier hatten zum damaligen Zeitpunkt, also Anfang des vorigen Jahrhunderts, in mehreren osmanischen Provinzen eine Mehrheit, und es gab das Regime der Jungtürken, die im Ersten Weltkrieg mit Österreich-Ungarn und Deutschland verbündet waren. Nach dem Eintritt der Türkei in den Krieg kam es zur Invasion in den Kaukasus. Die sehr schlecht vorbereiteten türkischen Truppen wurden schon innerhalb kürzester Zeit durch die kriegsgewohnten und besser befehligten Russen im Jänner 1915 bei Sarikamis vernichtend geschlagen. Der ungeordnete Rückzug der Überlebenden führte durchwegs durch armenisches Gebiet. Offiziere wie auch Soldaten gaben den Armeniern letztlich die Schuld an der Niederlage, die offensichtlich durch strategische Fehler verursacht worden war. Entgegen allen Tatsachen waren die Jungtürken, das damalige türkische Regime, davon überzeugt, dass die Armenier eine tödliche Gefahr für den Pan-Türkismus bedeuteten.

Der Erste Weltkrieg lieferte ihnen eine günstige Gelegenheit, diesen inneren Feind zu erledigen. Die Vernichtung der Armenier, ihre "Ausrottung mit den Wurzeln", wie Hannah Arendt sagte, bedeutete Liquidationen, Deportationen, Massaker, Umsiedlungsmärsche durch Wüstengebiete


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