Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 15. Sitzung / Seite 51

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Zum Wohle des Landes wäre etwas ganz anderes notwendig, nämlich eine differenzierte und professionelle Auseinandersetzung mit dem, was unter anderem unser wertvollstes Gut ist – "unter anderem" sage ich, weil die Umwelt meines Erachtens unser aller wertvollstes Gut ist –, nämlich mit einer ordentlichen Standortpolitik und einer ordentlichen Beschäftigungspolitik.

Dem haben Sie heute nicht gedient, denn – ich zitiere –: "Ich würde in diesen Zeiten, in dieser Situation nicht verkaufen!" – So Bernhard Felderer, Leiter des Institutes für Höhere Studien.

Ich zitiere zweitens einen Experten, der bei Privatisierungen sicherlich immer wieder herangezogen werden kann:

"Nichts kann gefährlicher sein, als die Industriestruktur und den Kapitalmarkt eines Landes polemisch und in Richtung auf politisches Kleingeld zu diskutieren."

Dieses Zitat stammt von Marc Hall, einem Mitglied des Aufsichtsrates der OMV, der 1993 sehr wesentlich an der Privatisierung der Verstaatlichten mitbeteiligt war und sie auch mitbegleitet hat.

Diese professionelle Herangehensweise vermissen wir bei Ihnen (Beifall bei den Grünen), und diese Holzhammer-Diskussion, die hier stattfindet, ist dem Anliegen zutiefst abträglich, weshalb wir sie auf das Schärfste verurteilen.

Lassen wir doch die Kirche im Dorf! Sagen wir doch, wie es um die Verstaatlichte vor 1984 wirklich stand! Sie trug Wesentliches dazu bei, dass Österreich im Arbeitsmarktbereich, in der Regionalentwicklung, in der Förderung des Exportes, aber auch in der Förderung der Infrastruktur, in der Förderung der Klein- und Mittelbetriebe vorankam. Die Verstaatlichte war ein Motor zum politischen In-Schwung-Bringen auch der österreichischen Privatindustrie. Das muss man auch sagen, wenn man von "Schuldenbergen" spricht. Ich glaube, so viel Korrektheit und historische Wahrheit muss hier und heute auch eingefordert werden. (Beifall bei den Grünen.)

Zweitens: Wenn über die Schulden der Post gesprochen wird, muss man auch sagen, dass die Post sehr viele hoheitliche Aufgaben übernahm, und zwar zu einem Preis, der ebenfalls den Klein- und Mittelbetrieben, also der Privatwirtschaft, sehr zugute kam. Es gab in Österreich immer ein enges Verwobensein von verstaatlichter Industrie und Privatindustrie beziehungsweise von Privatunternehmen. Dieses Miteinander hat im Endeffekt sehr viel dazu beigetragen, dass wir den jetzigen Status erlangen konnten und dass Österreich zu den reichsten Industriestaaten zählt.

Dieses Miteinander wird sich durch die veränderten Umweltbedingungen sicherlich ändern. Deshalb fordern wir immer wieder eine professionelle Herangehensweise ein, denn für uns geht es bei der zentralen Diskussion und zentralen Auseinandersetzung um die Frage: Was ist jetzt wirklich die Aufgabe des Staates?

Diese Aufgabe des Staates im Hinblick auf Führungsfunktionen auch in der verstaatlichten Industrie ist von jenen Betrieben, die immer den Leitsektor darstellten, nicht wahrgenommen worden. Sie ist nicht in vollem Umfang wahrgenommen worden von der OMV, nicht in vollem Umfang wahrgenommen worden von der VOEST-Alpine, nicht in vollem Umfang wahrgenommen worden zum Beispiel auch von der AUA. Diese Betriebe haben es nicht geschafft – das ist aber die Aufgabe der öffentlichen Hand oder das Programm der öffentlichen Hand oder auch das Wichtige der öffentlichen Hand –, innovativ zu sein und mit Zukunftsblick und in Hinblick auf Zukunftstechnologien und unter Bezugnahme auf ökologische und soziale Rahmenbedingungen zu wirtschaften.

Das wurde – das sage ich ganz dezidiert zu Ihrer Seite hin (die Rednerin blickt in Richtung der SPÖ-Bankreihen)  – vernachlässigt. Damit haben Sie sozusagen ein Potential, ein Wirkungsinstrument, ein Gestaltungselement der früheren Verstaatlichten verspielt. Damit haben Sie sehr wohl auch dazu beigetragen, dass jetzt das andere Extrem in sehr radikaler Form angestrebt wird, nämlich die Privatisierung ohne Wenn und Aber in relativ kurzer Zeit.


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