Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 16. Sitzung / Seite 20

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11.42

Abgeordnete MMag. Dr. Madeleine Petrovic (Grüne): Herr Präsident! Hohes Haus! (Abg. Haigermoser: Woher haben Sie die "scharfe" Brille? – Abg. Mag. Kukacka: Ist das die Berlin-Brille?) Eingangs eine Frage an den Herrn Bundeskanzler. Sie sagten, Frauen hätten in dieser Bundesregierung keine Alibi-Ressorts, sondern wichtige Ressorts, Ressorts mit Kompetenz. Meine Frage dazu: Gibt es denn in dieser Bundesregierung irgendwelche Alibi-Ressorts, oder was haben Sie damit gemeint? Vielleicht können Sie uns das noch mitteilen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ.)

Zu dem von Ihnen angesprochenen Wachstum der Beschäftigung. Vielleicht wird sich die Frau Sozialministerin auch noch dazu äußern. Herr Bundeskanzler, es ist zutreffend, dass es einen Beschäftigungszuwachs gibt. Allein Sie kennen die Zahlen so gut wie ich. Das Jobwunder auf österreichisch ist nicht die Frucht dieser Bundesregierung, sondern es hat auch schon in der Vergangenheit unsere Kritik hervorgerufen. Aber Sie jedenfalls waren mit beteiligt. Das Jobwunder ist ein Wunder an Geringfügigkeit, Geringfügigkeit für die Frauen!

Herr Bundesminister! Ich habe die genauen Zahlen hier. Zwischen Mai 1998 und 1999 ist die Zahl der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse um 12,7 Prozent gestiegen. Im gleichen Zeitraum ist die Zahl der unselbständig Beschäftigten insgesamt nur um 0,8 Prozentpunkte gestiegen. Und von eben diesen entfällt wieder ein Großteil, mehrheitlich Frauen betreffend, auf Personen mit einem Monatseinkommen von unter 12 000 S brutto. (Abg. Mag. Schweitzer: Wer trägt dafür die Verantwortung? – Abg. Mag. Kukacka: Wer war dafür bisher verantwortlich?)

Ein schönes Wunder! Ja, sie sind in Beschäftigung. Ob "frau" davon leben kann, ist eine andere Frage. Vor allem gibt es erstmals wieder eine Zunahme der Zahl von Personen, die unter 12 000 S brutto verdienen. Bis zum Jahr 1996 war diese Zahl rückläufig. Jetzt steigt die Zahl der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse, und das ist sehr, sehr schade. Das betrifft leider in erster Linie die österreichischen Frauen. (Beifall bei den Grünen und bei Abgeordneten der SPÖ. – Abg. Mag. Schweitzer: Erzählen Sie das der ehemaligen Frauenministerin Prammer!)  – Ich erzähle es dem Hohen Haus! Ich hoffe, das Hohe Haus wird diese Zahlen mit Erschütterung zur Kenntnis nehmen und auch Sie, Herr Kollege Schweitzer, der Sie so laut rufen.

Zu der vielfach angesprochenen Wahlfreiheit: Schauen wir uns an, wie es um die Wahlfreiheit steht! Ich bin eine leidenschaftliche Vertreterin der Wahlfreiheit für Frauen. In der Praxis schaut es allerdings ein wenig anders aus. Ich zitiere das Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft, kein grünes Institut. Die Zahlen stammen vom Februar 2000, sind also brandaktuell. Dieses Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft geht davon aus, dass, grob geschätzt – und das wird sehr ausführlich begründet –, 75 Prozent aller Frauen im erwerbsfähigen Alter einen Beruf ausüben wollen. Die tatsächliche Erwerbsquote liegt aber in Österreich im europäischen Vergleich der entwickelten Industriestaaten niedrig, nämlich bei 60 Prozent. Das heißt, 15 Prozent der Frauen wollen arbeiten, können es aber nicht. Wie schaut es da mit der Wahlfreiheit aus? Woran krankt es denn da? – Es fehlen öffentliche Verkehrsverbindungen. Vor allem aber fehlen hochwertige, nahe gelegene und preisgünstige Kinderbetreuungseinrichtungen. Und das ist eine Schande! (Beifall bei den Grünen.)

Errichten Sie keine ideologischen Scheingebilde, sondern stellen Sie die Wahlfreiheit erst einmal her!

Ein Allerletztes: Die wohl schlimmste Einschränkung von Wahlfreiheit ist dann gegeben, wenn Frauen, sehr hoch qualifizierte Frauen, Spitzenfrauen, durch Druck, durch Angst einflößende Maßnahmen aus ihrer Berufstätigkeit verdrängt werden sollen. Ich rede einmal mehr von Frau Superintendentin Gertraud Knoll. (Zwischenruf des Abg. Jung.  – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.) Hohn und Spott aus den Reihen der Freiheitlichen – ich hoffe, die StenographInnen haben es protokolliert. Es ist bemerkenswert: Die Briefe, in denen sogar das Leben der Kinder von Gertraud Knoll bedroht wird, werden durch Aufrufe provoziert. Und diese Aufrufe können Sie auf der Homepage des freiheitlichen Parlamentsklubs abrufen. Das ist erbärmlich! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ. – Abg. Schwemlein: Pfui, pfui!)

11.48


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