Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 16. Sitzung / Seite 78

Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite

1938 ist dieses passive Wahlrecht von den Nazis eliminiert worden – und heute haben die ArbeitsmigrantInnen in Österreich noch immer nicht das passive Wahlrecht für die Betriebsratswahlen! (Abg. Fischl: So eine Dummheit! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Fragen Sie sich vielleicht einmal, in welche Kontinuität Sie sich (in Richtung der Freiheitlichen) stellen wollen! Fragen Sie sich, ob in die der Republik von 1920 oder in die Kontinuität von 1938! Sie von den Freiheitlichen können sich wahlweise mit der ÖVP dann 1934 als "Alternative" aussuchen (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen): entweder die austrofaschistische oder die nationalsozialistische Vergangenheit als Anknüpfungspunkt für die Verweigerung von Rechten für die ArbeitsmigrantInnen! Das ist es, meine Damen und Herren! (Beifall bei den Grünen. – Rufe bei den Freiheitlichen: Das ist eine Frechheit!)

Man kann es leider nicht deutlicher sagen, in welcher Kontinuität dieses Denken steht! Nichts und niemand entschuldigt die Zeit nach 1945 und auch die KollegInnen von der Sozialdemokratischen Partei und der Österreichischen Volkspartei, die ja über 50 Jahre lang regiert und dieses Recht verweigert haben (Zwischenrufe bei den Freiheitlichen und der SPÖ – Präsident Dr. Fischer gibt das Glockenzeichen) und nicht wieder angeknüpft haben an die demokratische Republik von 1920, sondern sich 1945 lieber auf den Standpunkt gestellt haben: Wir wollen da nichts Neues machen, wir wollen da nicht wieder zu den Zeiten einer Republik zurückkehren, sondern in diesem Punkt an den Rechtsbestand des Nationalsozialismus anknüpfen. (Abg. Gaugg: Öllinger, die Fleisch gewordene "Weisheit"!)

Es ist zwar traurig, das sagen zu müssen, ist aber leider die Realität – und dieser sollten Sie sich nicht verweigern, meine Damen und Herren! Es sitzen ja immerhin Ihre (in Richtung ÖVP) Ministerkollegen hier auf der Regierungsbank, und es saß auch da auf der Regierungsbank der jetzige Dritte Nationalratspräsident Fasslabend, und es sitzen noch genügend andere Vertreter dieser alten Koalitionsregierung hier, die sich nicht dagegen gewehrt haben, dass schändlich nicht nur mit Rechten von Arbeitnehmern, sondern in diesem Fall auch mit dem EU-Recht umgegangen wurde beziehungsweise wird.

Ich kann mich noch genau daran erinnern: 1994 – ich habe mir diese Rede ausgehoben – ist Herr Abgeordneter Schwimmer, der jetzt auf europäischer Ebene tätig ist, hier herausgegangen und hat sinngemäß gesagt: Wir wissen eh, dass das EU-Recht gilt, aber wir wollen es trotzdem nicht zur Kenntnis nehmen! – Das war bitte 1994. Jetzt ist Walter Schwimmer Generalsekretär des Europarates, und er würde sich wahrscheinlich lieber den Mund zuhalten, bevor er eine solche Äußerung wiederholen würde. Aber das ist Ihre Art des Umganges mit Rechtsbestand, den Sie in dieser Republik zu verantworten haben! (Abg. Böhacker: Das war 1994, als Österreich noch nicht einmal bei der EU war! – Weitere Zwischenrufe bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Ich kündige Ihnen Folgendes an – nachdem wir ja Gott sei Dank in einer Phase sind, in der diese Bundesregierung unter besonderer Beobachtung steht –: Wir werden alles dazu tun, dass die EU-Kommission diesen Prozess des Vertragsverletzungsverfahrens, der Einreichung der Klage beim Europäischen Gerichtshof beschleunigt. (Abg. Gaugg: Rechtsinstanzen unter Druck setzen! – Weiterer Zwischenruf bei den Freiheitlichen.)

Dieses Ihr Verhalten, meine Damen und Herren von den Regierungsparteien, ist nicht nur rechtswidrig, sondern unwürdig unwürdig der Traditionen einer Arbeiterbewegung, die etwas anderes Anfang dieses Jahrhunderts auf ihre Fahnen geschrieben hat, unwürdig der Traditionen auch dieser Parteien, dass so gespielt wird mit dem Recht, dass man nur das zur Kenntnis nimmt, was sozusagen unvermeidbar ist, und man bestehende Rechtsgrundsätze, in diesem Fall EU-Rechtsgrundsätze, völlig ignoriert, wohl wissend, dass sie zur Anwendung kommen müssen. Diese Rechtsgrundsätze müssen ja jetzt schon bei den Arbeiterkammer-Wahlen angewandt werden. Man versucht jedoch, das zu ignorieren, indem man nach innen und für die eigene Klientel ein Arbeiterkammergesetz, ein Betriebsräte-, ein Arbeitsverfassungsgesetz präsentiert und alles dazu beiträgt, dass ausländische Kolleginnen und Kollegen nicht die entsprechenden Rechte erhalten. (Abg. Gaugg: Wer hat das denn beschlossen?)


Home Seite 1 Vorherige Seite Nächste Seite