Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 20. Sitzung / Seite 84

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Meine Damen und Herren von den Regierungsparteien! Es ist eher enttäuschend (Abg. Mag. Firlinger: Es ist unglaublich, was man sich von Ihnen alles gefallen lassen muss! Schämen Sie sich! – Abg. Edlinger: Schämen Sie sich! – Abg. Mag. Firlinger: Vernaderer!), dass wir eine Sozialministerin haben, die sich den Antworten und jeder Stellungnahme in einer Debatte zu sozialen Themen bisher verweigert hat.

Gerade an die Adresse der Regierungsparteien, die Leistungsbereitschaft so in den Vordergrund gestellt haben und immer noch stellen, sage ich – ein Zitat des Herrn Prinzhorn –: Schluss mit lustig! Es geht nicht an, dass wir eine Sozialministerin haben, die deshalb, weil sie ein Schloss erhalten muss, als Sozialfall in der Bundesregierung sitzt. (Ironische Heiterkeit bei den Freiheitlichen.)

Meine Damen und Herren! Das geht nicht! Wir brauchen in sozialpolitischen Angelegenheiten kompetente Minister und Ministerinnen. Und weil wir annehmen, dass Sie, Herr Bundesminister, aus Ihrer Verantwortlichkeit auch für die Ressortteile, die Sie abgegeben haben, diese Fragen mit beantworten werden, haben wir die Anfrage an Sie gestellt. Es ist eine Anfrage, die dennoch die gesamte Sozialpolitik dieser Bundesregierung betrifft.

Nimmt man das Koalitionsabkommen, nimmt man die Aussagen zum "neuen Gesellschaftsvertrag", nimmt man die Details in diesem Koalitionsabkommen und noch nicht die Präambel, so fällt auf, dass 70 bis 80 Prozent dessen, was darin festgeschrieben ist, auch in dem Pakt enthalten waren, der zwischen der ÖVP und der SPÖ abgeschlossen werden sollte. 70 bis 80 Prozent sind deckungsgleich.

Jetzt könnte man annehmen, da gibt es ohnehin weitgehende Übereinstimmung. Das stimmt. In bestimmten Sachfragen ist das so, und das ist auch traurig genug für die Sozialdemokratische Partei. Aber das Entscheidende, meine Damen und Herren, sind nicht nur die 20 oder 30 Prozent Rest, sondern die Präambeln zu den Kapiteln und hier vor allem zu dem "neuen sozialen Gesellschaftsvertrag", den Sie vorschlagen, denn dieser bedeutet weitgehend eine Privatisierung der Sozialpolitik und jegliche Absage an den Sozialstaat, so wie wir ihn in Österreich kennen. (Beifall bei den Grünen sowie des Abg. Reheis. )

Meine Damen und Herren! Da wird unter den Schlagworten "Hilfe zur Selbsthilfe", "private Sozialverantwortung" und "Leistungsgerechtigkeit" systematisch nicht nur der Abbau von sozialen Sicherungen betrieben, sondern genau jene Einrichtungen der zivilen Gesellschaft, die schon in den vergangenen Jahren die Defizite des öffentlichen sozialen Sicherungssystems kompensiert haben, aufgezeigt haben, bekämpft haben, genau jene zivilen Einrichtungen, die für eine soziale Sicherung eingetreten sind, werden angegriffen, werden nach der Methode "Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins Kröpfchen" oder, wie es Herr Khol formuliert hat, nach der Methode "Die Böcke müssen von den Schafen getrennt werden" separiert.

Das betrifft nicht nur die Arbeiterkammer, meine Damen und Herren, das betrifft nicht nur die gesetzliche Interessenvertretung der Arbeitnehmer. Das geht über arbeitsmarktpolitische Einrichtungen, Frauenberatungsstellen bis hin zu diesen zahlreichen Organisationen, die darauf angewiesen sind, dass sie den ermäßigten Zeitungstarif erhalten.

Da sind Äußerungen gefallen – nicht nur von Herrn Khol, sondern auch von anderen – wie zum Beispiel: "Man beißt nicht die Hand, die einen füttert." Und das ist ja auch die Enttäuschung über Sie, Herr Bundesminister, denn Sie haben noch vor einigen Wochen, was die Arbeiterkammer betrifft, klar und dezidiert in einem "Kurier"-Interview erklärt, Sie sehen überhaupt keinen Grund, a) in die Selbstverwaltung einzugreifen und b) die Arbeiterkammerumlagen zu kürzen.

In den vergangenen Wochen haben Sie jedoch bemerkt, dass die Arbeiterkammer – das haben Sie auch selbst gesagt – die Regierungspolitik angreift, und das passt Ihnen nicht. Jetzt sehen Sie so wie viele ÖVP- und FPÖ-Vertreter Gründe zu prüfen, warum die Arbeiterkammerumlage reduziert werden soll. Sie wissen genauso wie jeder andere und jede andere in diesem Haus, dass die Kürzung der Arbeiterkammerumlagen natürlich dazu führt, dass Leistungen dieser Arbeiterkammer abgebaut werden müssen. Und Sie wissen genauso wie jeder hier in diesem


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