Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 20. Sitzung / Seite 85

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Haus, dass dieser Akt in der Zweiten Republik einmalig wäre: ein Eingriff in die Selbstverwaltung, ein Eingriff in den autonomen Regelungsbereich der Selbstverwaltung.

Das ist aber nicht alles, meine Damen und Herren. Wenn man diesen Gesellschaftsvertrag, diesen "neuen sozialen Gesellschaftsvertrag", der zur Diskussion steht, genau liest, dann weiß man, dass Hilfe zur Selbsthilfe, Leistungsgerechtigkeit und private Sozialverantwortung – Ihre Schlagworte – einen absoluten Umbau des Sozialstaates in Richtung Abbau bedeuten. Das ist das Problem, das einem in der drastischen Bedeutung dessen, was Sie damit meinen, wahrscheinlich erst in den letzten Wochen klar geworden ist.

Ich greife da als Beispiel das heraus, was wir vor wenigen Stunden diskutiert haben: die Zivildienerfrage. Meine Damen und Herren! Es geht dabei um die Zivildiener, die in ihrer Lebensplanung beeinträchtigt werden. Es geht darum, dass ihnen Geld genommen wird, es geht darum – "private Sozialverantwortung" –, dass sich den Zivildienst in Zukunft nur mehr jemand leisten können soll, dessen Eltern begütert sind. Denn sich einen Zivildienst leisten zu können, das kostet in Zukunft etwas für die Eltern oder die betroffenen Anwärter auf den Zivildienst. Es geht in der Folge darum, dass Sozialeinrichtungen, die auf Zivildiener angewiesen sind, bedeutend geschädigt werden, in vielen Bereichen, wie das die Caritas erklärt hat, auf Grundversorgung zurückfahren müssen, keine zusätzlichen Leistungen mehr erbringen können.

Und es geht darum, meine Damen und Herren, dass hier von Seiten der Bundesregierung klare Wertigkeiten getroffen werden. Das hat mit dieser Debatte zu tun. Da wird auf der einen Seite erklärt, Präsenzdiener werden in Zukunft ihre Präsenzdienstzeiten als Beitragszeiten für die Pensionsversicherung angerechnet erhalten – apropos Treffsicherheit, apropos Finanzierbarkeit; das kostet etwas –, aber die Zivildiener, meine Damen und Herren, sollen das auf der anderen Seite nicht erhalten. Keine Anrechnung als Beitragszeiten, Herr Bundesminister! Aha! Das ist eine Wertigkeit, das ist eine klare Wertigkeit.

Das ist aber nicht nur eine Frage der Wertigkeit, sondern auch der Verfassungsmäßigkeit einer derartigen Regelung. Ich appelliere deshalb an die Adresse der Damen und Herren von der Sozialdemokratischen Partei in diesem Zusammenhang: Machen Sie mit uns gemeinsam – wir können das nicht allein – eine Verfassungsklage, wenn diese Bestimmung kommt! Machen Sie eine Verfassungsklage, weil diese Regelung, dass nur die Präsenzdiener die Beitragszeiten abgegolten bekommen, mit Sicherheit verfassungswidrig ist! (Beifall bei den Grünen und der SPÖ.)

Meine Damen und Herren! Es geht um mehr! Es geht nicht nur darum, dass Sie den Zivildienst auf diese Art und Weise ruinieren, aushungern, systematisch aushöhlen wollen, sondern Sie wollen den jungen Menschen in diesem Land auch klar sagen, ein sichtbares Zeichen geben: Diesen Zivildienst wollen wir nicht so bewerten wie den Präsenzdienst. Der steht unterhalb. Und ein junger Mensch, der sich dafür entscheidet, muss bedeutende Risken in seiner Lebensplanung in Kauf nehmen, muss bedeutende Abschläge bei seinem materiellen Einkommen hinnehmen und muss auch, was die Anrechnung für die Pensionen betrifft, damit rechnen, dass er nicht dieselbe Anrechnung erhält wie die Präsenzdiener.

Das ist eine klare Wertung, das ist eine klare Aussage, wenn Sie sie so treffen. Das ist aber nur ein Punkt. Aus dem wird erkennbar: Es steht ein gesellschaftspolitisches Konzept hinter Ihrer Sozialpolitik.

Ich nenne Ihnen einen zweiten Bereich: die Kinderbetreuung. Da kennen Sie sich sehr gut aus, Herr Minister, weil Sie in Ihrer alten Funktion und in Ihrer neuen Funktion betroffen sind. Kinderbetreuungsgeld für alle – das haben Sie gesagt und mit anderen Worten die Vertreter der Freiheitlichen Partei. Ich sage: Seit gestern wissen wir, das ist der Bruch eines Wahlversprechens, das war die Unwahrheit. Es gibt kein Kinderbetreuungsgeld für alle. Das gibt es nicht! Darüber muss man sich erst einmal klar werden, dass Sie nach wie vor diesen Begriff "Kinderbe-treuungsgeld für alle" verwenden, gleichzeitig aber hat Frau Bundesministerin Sickl – ich meine jetzt nicht Herrn Finanzminister Grasser mit seinen Aussagen; das wäre noch interessant, darüber zu sprechen, was der Herr Finanzminister, der jetzt nicht an dieser Debatte teilnimmt,


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