hätten wir uns in eben jene Rolle hineinbegeben, dass wir einem Urteil des europäischen Höchstgerichtes mit irgendwelchen Schlawinermethoden ausweichen wollen. Die Rache wäre fürchterlich gewesen!
Im Interesse der Rechtssicherheit haben wir eine Ersatzlösung vorbereitet. Und wer wird sie bezahlen? – Die österreichische Wirtschaft, überwiegend der österreichische Tourismus, ist dazu bereit. Ich sage: Danke, österreichische Wirtschaft, dass Sie bereit sind, hier mitzutun! (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Oder nehmen Sie etwa die Frage der Zwangsarbeiter! – Ich weiß, das ist ein heikles Thema, das kostet Geld. Aber wir stellen uns dieser Geschichtsaufarbeitung und wollen etwas tun, jedoch nicht deshalb, weil wir rechtlich verpflichtet sind, sondern weil wir uns moralisch verpflichtet fühlen. – Und wer, bitte, zahlt in diesem Bereich? Das sei ja auch einmal gesagt! – Maria Schaumayer verhandelt derzeit mit Heinz Kessler, einem namhaften Industriellen, und verschiedenen anderen Wirtschaftstreibenden, um ein möglichst großes Opfer, einen möglichst großen Beitrag von Seiten der österreichischen Wirtschaft zustande zu bringen.
Also die Legende, wonach es Begünstigte gebe, die nicht zum Gesamtwohl beitragen, ist falsch. Sie ist Gott sei Dank falsch, und ich bedanke mich dafür bei der österreichischen Wirtschaft. (Beifall bei der ÖVP und bei Abgeordneten der Freiheitlichen.)
Noch etwas trifft mich, weil es eine Legende ist, die gefährlich werden kann: Es wird behauptet, Österreich stelle sich nicht seiner Geschichte. – Meine Damen und Herren! Lesen Sie den in der heutigen Ausgabe der "Presse" erschienenen Artikel von Hubert Feichtlbauer. Das ist ein Mann, der ganz sicher nicht zu den Radikalen im Lande gehört, er ist ein Stiller; aber die Stimme der Vernunft muss nicht unbedingt laut sein. Er hat die entsprechenden Daten – mühsam! – zusammengetragen, er schreibt gerade ein Buch, das man jedem zeitgeschichtlich Interessierten, eigentlich bis hinein in die Schulen, zur Pflichtlektüre geben sollte. In diesem Artikel zitiert er eine ganze Reihe von Quellen, darunter übrigens auch Gabi Holzer, eine österreichische Diplomatin, die unter dem Titel "Verfreundete Nachbarn" die diesbezügliche Geschichte Österreichs mit jener Deutschlands verglichen hat. Wir haben unsere Aufarbeitung der Geschichte genauso engagiert, vielleicht sogar engagierter gemacht als andere!
Und Hubert Feichtlbauer legt diese Zahlen vor: Gegen 100 000 Personen wurde in Deutschland ermittelt, in Österreich gegen 137 000 – wir wissen aber schon, dass Österreich ein bisschen kleiner als Deutschland ist –, 6 500 wurden in Deutschland rechtskräftig verurteilt, in Österreich 23 477. In Deutschland gab es 12 Todesstrafen, 43 in Österreich. Dazu kommen natürlich noch andere Länder, die ebenfalls Urteile, Todesurteile, Strafen und, und, und ausgesprochen haben. Wir müssen auch daran erinnern, dass sich die Alliierten die schwersten Delikte für ihre Gesetzgebung vorbehalten haben: Die britische Militärmacht hat in Österreich 25, die amerikanische 16 Prozesse durchgeführt; die Briten haben 53, die Amerikaner acht Todesurteile gefällt.
Ich sage daher: Hören wir auf, so zu tun, als ob Österreich nie etwas zur Aufarbeitung seiner Geschichte gemacht hätte! Das ist falsch, erwiesenermaßen falsch! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)
Frau Abgeordnete Petrovic! Ich habe die Rede von Bartoszewski beachtlich gefunden, und ich glaube, wir müssen sie aushalten, weil dieser Mann als Opfer des Konzentrationslagers viel erduldet hat. Der Vorwurf, dass wir nicht kritikfähig sind, kann also nicht stimmen, denn wir müssen diese Kritik aushalten. Österreich hat Bartoszewski eingeladen, daher müssen wir uns das anhören. – Wir können zwar in dem einen oder anderen Punkt anderer Meinung sein, aber für mich gehört zu Meinungsfreiheit und -vielfalt auch dazu, dass man zuhört. Und dass wir alle zugehört haben, ist meiner Ansicht nach ein beachtliches Signal.
Dass sich Präsident Heinz Fischer am Ende der Veranstaltung mit einer sehr spezifischen Bemerkung zu Wort gemeldet und damit etwas zurechtgerückt hat, verdient Respekt – von mir und hoffentlich auch von Ihnen! (Beifall bei der ÖVP sowie bei Abgeordneten der SPÖ und der Freiheitlichen.)