Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 22. Sitzung / Seite 166

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Präsident Dr. Werner Fasslabend: Der soeben verlesene Entschließungsantrag ist ordnungsgemäß eingebracht, ausreichend unterstützt und steht daher mit in Verhandlung.

Nächster Redner ist Herr Abgeordneter Dr. Bruckmann. – Bitte.

20.32

Abgeordneter Dr. Gerhart Bruckmann (ÖVP): Herr Präsident! Frau Bundesministerin! Als letztem Redner meiner Fraktion gestatten Sie mir zu versuchen, die Debatten des heutigen Tages in einem größeren Kontext zu sehen.

Aus meiner Kindheit ist mir eine Äsopsche Fabel in Erinnerung, die ich damals nicht verstand und die mein Rechtsempfinden äußerst irritierte:

Ein Wolf und ein Lamm trinken nebeneinander aus einem Bach. Der Wolf sagt: Du hast durch dein Mittrinken mein Trinkwasser verschmutzt; zur Strafe werde ich dich fressen. Das Lamm antwortet: Aber ich habe doch unterhalb von dir aus dem Bach getrunken, konnte also dein Wasser gar nicht verschmutzt haben. Darauf der Wolf: Das interessiert mich nicht – und frisst das Lamm.

Heute, 60 Jahre später, nach der Aktion der 14 Staats- und Regierungschefs, ist mir die Aussage der Fabel klar geworden: Macht geht vor Recht. Mehr noch: Macht möchte sich manifestieren. Hiezu ist der Schwächere, der Wehrlose, stets ein geeignetes Objekt (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), auch um durch die Verfolgung des unschuldigen Wehrlosen, durch den Aufbau eines künstlichen Feindbildes von der Fragwürdigkeit der eigenen Macht abzulenken. Diese freudsche Projektionneue Rechtschreibung , Hohes Haus, zieht sich durch die gesamte Menschheitsgeschichte.

Fakten interessieren den Wolf nicht; und dass der Wehrlose dem Mächtigen oft moralisch weit überlegen ist, verstärkt nur das Vorurteil des Mächtigen. (Zwischenrufe der Abgeordneten Huber und Öllinger. )

Lassen Sie mich einen unverdächtigen Zeugen anführen – Helmut Zilk –, der vor wenigen Tagen in einem Massenblatt einen langen Artikel geschrieben hat (der Redner hält die Kopie eines Zeitungsartikels in die Höhe), in dem er penibel auflistet, was Österreich in den letzten 55 Jahren weit mehr als alle anderen Nachbarstaaten an Ausländerfreundlichkeit im Inland und im Ausland geleistet hat.

Und lassen Sie mich noch hinzufügen, worauf auch Andreas Khol schon eingangs hingewiesen hat: Kaum ein anderes Land hat strengere anti-nationalsozialistische Gesetze und hat diese auch exekutiert. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Hohes Haus! Damit komme ich unmittelbar zum Budgetkapitel Äußeres: Jede derartige Manifestation von Macht ist nämlich Ausdruck ihrer Schwäche. Dass Frankreich, das seine bisherige Hegemonie in Europa durch die bevorstehende EU-Erweiterung ernstlich bedroht sah, in einem Kleinstaat der EU einen willkommenen Prügelknaben fand, hat dem Gedanken der europäischen Einigung schweren Schaden zugefügt.

Hohes Haus! Börsennotierungen sind ein Seismograph. Ich bin wie Bernhard Felderer überzeugt davon, dass das Sinken des Euro-Kurses zumindest teilweise auch darin seine Ursache findet, dass das Vertrauen der Weltwirtschaft in ein starkes und einiges Europa durch die Aktion der 14 massiv verschlechtert wurde (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen), und ein schwacher Euro kann nicht ohne direkte und indirekte Auswirkung auf Österreichs Wirtschaft, auf unser Sozialprodukt und damit auch auf das Bundesbudget bleiben.

Hut ab vor den Leistungen der Beamten und Mitarbeiter des Außenministeriums, die oft bis an die Grenze des persönlich Zumutbaren bei starker personeller Unterbesetzung in vielen Abteilungen – ich weiß das aus eigener Erfahrung – für Österreich arbeiten. (Zwischenruf der Abg.


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