Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 23. Sitzung / Seite 129

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menten differenziert wird und es daher überhaupt kein Motiv gibt, sich ein Generikum verschreiben zu lassen, weil das ja im Rahmen des Medikamentenselbstbehaltes gleich teuer ist wie das andere, das Originalmedikament. Wenn es also diesen regulierenden Effekt nicht gibt, dann erfolgt der Selbstbehalt nur aus Finanzierungsgründen. Da aber ist klar: Der Selbstbehalt hat regressive Wirkung. Er belastet jene mit niedrigen Einkommen wesentlich stärker als jene mit höheren Einkommen, die ohnehin schon bei den Beiträgen besser gestellt sind.

Es gibt eine doppelte Entlastung im Gesundheitssystem, im Sozialversicherungssystem, bei den Krankenkassen für Personen mit höheren Einkommen. Eine doppelte Entlastung – das stellen Sie sich einmal vor! Das ist Grund genug, die Debatte sehr seriös und sauber zu führen. Da aber hilft mir das Beispiel, das Kollege Pumberger gebracht hat, das, wenn es so stimmen würde, tatsächlich Anlass für Kritik wäre, dass Vranitzky sich irgendwo in Deutschland kurieren hat lassen, nichts! Das ist kein Beitrag zur Sanierung der Krankenkassen, auch wenn die 500 000 S von Herrn Vranitzky in diesem Fall ein Skandal wären. (Beifall bei den Grünen.)

Meine Damen und Herren! Reden wir noch weiter über einiges von dem, was von Ihnen an Begriffen eingeführt wurde. Da gibt es seit zehn Jahren in der gesundheitspolitischen Debatte den Begriff "Kostenexplosion": Immer "explodieren" die Kosten. Wissen Sie nicht, Herr Rasinger – Sie haben ja eine naturwissenschaftliche Grundausbildung –, dass gar nichts zehn Jahre lang explodieren kann? Rein physikalisch gesehen geht das nicht. Ein und dasselbe Ding kann nicht zehn Jahre lang pausenlos explodieren. Das kann einmal explodieren. Nun stellt sich die Frage, ob wir diesen Zustand jetzt beschreiben, weil wir ein Defizit erwirtschaftet haben, oder ob etwas zehn Jahre lang explodieren kann! – Das behaupten Sie aber: Wir haben laufende "Kostenexplosionen" im Bereich des Gesundheitssystems.

Meine Damen und Herren! Wohin explodiert da etwas? – Wir haben doch in allen entwickelten Industrieländern mit guten Gesundheitssystemen dasselbe Phänomen, das auch von Ihnen beschrieben wird. Natürlich ist das im Medikamentenbereich so: Die Medikamente werden immer teurer. Die Firmen wollen natürlich bei der Entwicklung ihrer neuen Medikamente auch maximal Kosten decken und Gewinne abschöpfen durch die Preise, die sie dabei erzielen. Das ist einer der Punkte: Medikamente werden auch besser. Es ist die Frage, ob wir uns das leisten können und wollen. (Abg. Dr. Leiner: Genau! Das ist die Frage!) Wenn wir uns das leisten können und wollen – ja –, dann müssen wir einen solidarischen Beitrag aufbringen, Herr Kollege Leiner (Abg. Dr. Leiner: Genau so ist es!), um dieses System für alle finanzierbar zu machen. Das ist die Frage!

Ich habe Ihnen jetzt in einer fünfminütigen Darstellung beschrieben (Abg. Dr. Leiner: D‘accord!), dass dieses System gerade deswegen, weil es Besserverdienende im Bereich der Höchstbeiträge entlastet, weil es über die Selbstbehalte noch einmal die kleinen Verdiener und Verdienerinnen stärker belastet, eben nicht mehr solidarisch den Ausgleich sucht.

An dieser Stelle ist die Frage wieder retour an den Anfang zu bringen: Was stand denn in Ihrem Koalitionsabkommen, von dem wir Gott sei Dank jetzt durch den Verlauf der Debatte ein Stück weggerückt sind: dass Beiträge bis zu 20 Prozent im Wege der Ermächtigung von den Krankenkassen für ärztliche Leistungen einzuheben sind!? Gott sei Dank sind Sie etwas davon abgegangen, aber noch immer sind wir nicht dort, wo ein solidarisches und soziales Krankenversicherungswesen hin müsste. Gott sei Dank sind Sie davon abgegangen, sonst hätten wir die nächste Debatte gehabt, von der ich weiß, dass sie einige auch, so vermute ich, im Bereich der Regierungsparteien nicht haben wollen, einige aber sehr wohl. Mehr Markt im Gesundheitswesen, noch mehr Markt im Bereich der Sozialversicherungen, das Aufmachen und Zerschlagen der Pflichtversicherung zu Gunsten einer Versicherungspflicht, bei der dann die verschiedenen Sozialversicherungen gegeneinander konkurrieren.

Das war das Prinzip, das im Koalitionsabkommen festgelegt war. Das haben Sie Gott sei Dank bis jetzt im Verlauf der Debatte noch nicht erreicht.

Ich hoffe, dass es auch in den nächsten Jahren nicht gelingen wird, weil der österreichischen Bevölkerung sicher, genauso wie den Grünen, viel daran liegt, ein solidarisches und soziales


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