Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 25. Sitzung / Seite 89

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Man muss die Möglichkeit geben, Irrtümer, die im Rahmen der Beweiswürdigung in erster Instanz geschehen können, auch dann in zweiter Instanz anzufechten, wenn es um ernste Dinge geht, und nicht nur dann, wenn es um eine Bagatelle geht. (Beifall bei den Freiheitlichen.) Vielleicht ist es doch möglich, in diesem Zusammenhang zu einem Fortschritt zu kommen.

Eine alte Lieblingsidee von mir ist es – und ich nütze die Gelegenheit, es auch dem neuen Justizminister wieder ans Herz zu legen –, deutlicher als bisher vom Instrument der fachmännischen Laienrichter Gebrauch zu machen. Die Laienrichter sind, so hat man manchmal den Eindruck, eine zum Aussterben verurteilte Spezies. Es gibt nur mehr einen Bereich, wo sie – sehr fruchtbringend – tätig sind, das ist die Arbeits- und Sozialgerichtsbarkeit. Man könnte sie sich ohne fachmännische Laienrichter, ohne Beisitzer aus dem Arbeitgeberbereich auf der einen und aus dem Arbeitnehmerbereich auf der anderen Seite, gar nicht mehr vorstellen.

Vor allem beim Strafgericht erlebt man aber, dass dort etwa Wirtschaftsdelikte zur Beurteilung anstehen, sich damit aber niemand von den Beteiligten wirklich auskennt – nicht der Richter, nicht der Staatsanwalt, häufig auch nicht der Verteidiger. Aber die Entscheidungen müssen gefällt werden. Und die beiden Schöffen, die dort sitzen – nichts gegen die Hausbesorger! –, sind vielleicht pensionierte Hausbesorger. Die können zur Wahrheitsfindung wirklich relativ wenig beitragen. Ich könnte mir daher vorstellen, dass es sinnvoll wäre, dazu zu kommen, dass, je nachdem, in welchem Bereich strafbare Handlungen spielen, über die zu urteilen ist, Fachschöffen eben aus diesem Bereich zum Zug kommen sollten.

Wenn heute die Diversion angesprochen worden ist, dann glaube ich, dass man einmal abwarten sollte, was bei der Enquete herauskommt, die wir über die Bühne bringen werden. Ich habe ja die Ehre, Vorsitzender dieser Justiz-Enquete zu sein. Und wenn Sie, Kollege Jarolim, gesagt haben, dass der Herr Bundespräsident eine solche Enquete gewünscht hat, kann ich dazu weder ja noch nein sagen, weil ich es nicht weiß. Bei allem Respekt vor dem Staatsoberhaupt ... (Abg. Dr. Jarolim: Verfügt hat er’s!)

Ich weiß es nicht, aber wenn Sie es sagen, wird es richtig sein. Ich sage dazu nur – bei allem Respekt vor dem Staatsoberhaupt! –: Zuständig ist er dafür nicht. Also wenn er es wirklich angeordnet oder verfügt haben sollte: Er kann die gesetzgebende Körperschaft nicht dazu verhalten, auf diesem Sektor das zu tun, was er sich vorstellt, oder das zu unterlassen, was er sich nicht vorstellen kann. Das sage ich, und selbst wenn er da oben säße, würde ich es nicht anders sagen, weil es den Tatsachen entspricht.

Es wird bei dieser Enquete, die auf längere Dauer angelegt ist und einen großen Personenkreis beschäftigen wird, aber nicht nur um die Probleme der Diversion gehen, sondern auch um die Ausgewogenheit der strafrechtlichen Reaktionen auf strafbares Verhalten in Österreich überhaupt, vor allem aber um die Problematik gerichtlicher Strafverfahren auf der einen und Verwaltungsstrafverfahren auf der anderen Seite. In diesem Bereich geht es ja recht unausgewogen zu. Es geht heute jedem Beschuldigten wesentlich schlechter, wenn er mit einer strafbaren Handlung vor der Verwaltungsbehörde steht, als wenn er vor dem Strafgericht stünde – wenn man davon absieht, dass das eine Eintragung in das Strafregister nach sich ziehen kann und das andere nach menschlichem Ermessen nicht. (Das rote Lämpchen am Rednerpult leuchtet auf.)

Ich stelle mit Erstaunen fest, dass ich offenbar schon 10 Minuten geredet habe. Ich habe auf meiner Uhr da erst 5 Minuten, aber ich nehme an, dass die 10 Minuten richtig sind, und komme daher zum Schluss.

Die österreichische Justiz genießt das Vertrauen der Bevölkerung; ich habe das bereits angesprochen. Man braucht nur in die Bevölkerung hineinzuhören. Dieses Vertrauen genießt genauso der neue Justizminister Dr. Böhmdorfer. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass er, wie ich irgendwelchen Notizen in einem Pressedienst entnehme, erklärt, wenn etwas einen strafrechtlichen Charakter habe, dann müsse man auch bei Volksvertretern darüber nachdenken, welche Reaktionen das nach sich ziehen solle.


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