Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 25. Sitzung / Seite 114

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Dem Herrn Bundesminister für Justiz wird im Sinne des § 74 Abs. 1 B-VG das Vertrauen versagt.

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Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich kann nicht zu einem Menschen, der den wahrlich gravierendsten Anschlag auf das demokratische Verfassungsgefüge in diesem Land, auf das freie Mandat, auf die Rechte der Opposition, auf die freie Meinungsäußerung, gutheißt, die Idee für verfolgenswert hält, Vertrauen haben, ihn als obersten Hüter des Rechtsstaates anerkennen. Deshalb bitten wir Sie, geschätzte Kolleginnen und Kollegen, dieser Art von Politik mit dem Misstrauen, das wir Dr. Böhmdorfer heute aussprechen, eine klare Absage zu erteilen. Ich wüsste keine andere Reaktion, die es jetzt darauf gibt. (Beifall bei den Grünen.)

Herr Dr. Böhmdorfer ist kein Provinzlandeshauptmann, kein Landeshauptmann einer österreichischen Provinz. Er ist, soweit bis jetzt bekannt ist, ja nicht einmal ein "einfaches Parteimitglied", wie Herr Dr. Haider, sondern er ist ein einfacher – das meine ich jetzt nicht im Sinne von schlicht – Parteianwalt der Freiheitlichen Partei oder des Dr. Haider. Aber er ist in der Funktion, in die er jetzt berufen wurde, der Justizminister der Republik und nicht der Parteianwalt von Dr. Haider. Herr Justizminister, das ist das, wodurch Sie mein Vertrauen verspielt haben. (Abg. Dr. Martin Graf: Sie haben ihm doch nie Ihr Vertrauen geschenkt!)

Das können wir auch im Sinne der Rechtssicherheit, in dem Sinn, dass wir ständig an die Bevölkerung appellieren, in die ordentliche Gerichtsbarkeit Vertrauen zu setzen, Vertrauen in den Rechtsstaat zu haben, Vertrauen in unser Gefüge der Gewaltenteilung, das sich über Jahrzehnte gut bewährt hat, zu haben, nicht tolerieren. Ich kann einem Justizminister nicht vertrauen, der sagt: Schwamm drüber, das ist ein Irrtum, die Zeiten sind andere, jetzt ist Blau-Schwarz dran, jetzt weht der Wind anders!

Deshalb, Herr Bundesminister, haben Sie mein Vertrauen und das Vertrauen meiner Fraktion nicht mehr! (Beifall bei den Grünen.)

16.51

Präsident Dr. Heinz Fischer: Der Misstrauensantrag der Frau Abgeordneten Stoisits, der soeben verlesen wurde, ist entsprechend unterstützt und steht mit in Verhandlung.

Zu Wort gelangt der Herr Bundesminister. – Bitte, Herr Minister.

16.51

Bundesminister für Justiz Dr. Dieter Böhmdorfer: Sehr geehrter Herr Präsident! Sehr geehrte Damen und Herren des Hohen Hauses! Ich möchte zu Beginn erstmals das zitieren, worum es im Kern in dieser Debatte geht. Dieses Gelöbnis, das Gegenstand der Pressekonferenz von Dr. Haider war, lautet wie folgt: "Sie geloben unverbrüchliche Treue der Republik, stete und volle Beobachtung der Verfassungsgesetze und aller anderen Gesetze und gewissenhafte Erfüllung Ihrer Pflichten."

Dr. Haider hat in einer Pressekonferenz improvisiert und nicht, wie Sie glauben, Frau Abgeordnete, nach langer Absprache, sondern nach ganz kurzer Vorbemerkung zu mir erklärt, dass ihm sehr an der Einhaltung dieses Gelöbnisses gelegen ist und dass er bedauere, dass es nicht gelingt, mehr Verantwortung zu erzeugen. Ich habe ihn gewähren lassen – ich werde das noch genauer darstellen – und habe, wie ich bereits auch vor aller Öffentlichkeit in Unkenntnis des Misstrauensantrages gesagt habe, dazu Folgendes erklärt: Ich bin weder Förderer noch Bremser dieses Antrages. Ich hätte mich bei jedem anderen Politiker gleich verhalten. (Abg. Öllinger: Hierbei sollten Sie aber Bremser sein!)

Das heißt, wenn jemand in diesem Land glaubt, eine politische Idee verbreiten zu sollen, so soll man ihn nicht sofort daran hindern, sondern er soll in die Lage versetzt sein, im Wege der freien Meinungsäußerung am politischen Diskurs teilzunehmen. Das glaube ich. (Beifall bei den Freiheitlichen und bei Abgeordneten der ÖVP.)


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