Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 25. Sitzung / Seite 139

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Sehr verehrte Damen und Herren! Hohes Haus! Nicht umsonst hat der Herr Universitätsprofessor für Strafrecht, Frank Höpfel, nach Bekanntwerden des blau-schwarzen Regierungsprogrammes im Bereich Justiz von einer Rückkehr zum alten germanischen Rachedenken gesprochen. (Abg. Haigermoser: Keine Polemik vom Rednerpult aus! – Heiterkeit.)

Sehr geehrte Damen und Herren! Damit ich nicht falsch verstanden werde: Ich bin sehr wohl dafür, dass man sich mit dem, was am Stammtisch gesprochen wird, befasst. Das ist sehr wichtig, damit man als Politiker die so genannte Bodenhaftung behält, und es ist jede Meinungsäußerung eines Bürgers ernst zu nehmen. (Beifall bei der SPÖ.)

Es ist jedoch ein Unterschied, ob man mit den Menschen Gespräche führt, sich mit ihrer Meinung befasst, vielleicht auch versucht, die eine oder andere Meinung durch Argumente zu ändern, oder ob man einfach eine Forderung des Stammtisches in das Regierungsprogramm hineinschreibt und zur Regierungspolitik macht. – Es besteht also ein riesengroßer Unterschied zwischen diesen beiden Möglichkeiten.

Genau das ist das Dilemma der Justizpolitik, wie sie auch von Klubobmann Khol und der Justizsprecherin Fekter und so manchem in der FPÖ betrieben wird: Man geht nicht sachlich auf das Problem ein, man geht nicht sachlich und analytisch an die Lösung eines Problems heran und versucht nicht, im Dialog mit den Betroffenen, mit Experten und anderen mögliche Lösungen zu erreichen, sondern man nimmt einfach ein Schlagwort, wie zum Beispiel "Sexualstraftäter" oder "Drogenhändler", und münzt dieses in irgendeine Forderung um, die sicherlich für manchen auf den ersten Blick gut klingt, aber ohne jede Rücksicht darauf ist, ob die Forderung auch eine Lösung bringen kann, ob sie tauglich ist oder ob sie nicht vielleicht sogar kontraproduktiv ist und das Gegenteil von dem zur Folge hat, was man eigentlich gewollt hatte.

Diese Form der Signalgesetzgebung, sehr verehrte Damen und Herren, ist im Bereich des Strafrechtes besonders abzulehnen. Ich darf in diesem Zusammenhang eine Person zitieren, die nicht meiner Gesinnungsgemeinschaft angehört, die aber eine sehr richtige Stellungnahme abgegeben hat, nämlich den früheren ÖVP-Justizsprecher Dr. Michael Graff. Dieser befürchtete nach Bekanntwerden des Justizprogramms der blau-schwarzen Regierung, dass "durch den Appell an Empörungs- und Rachegefühle der Menschen etwas politisch erreicht werden soll" und befürchtet – so Michael Graff, Ihr ehemaliger Justizsprecher! – "eine Signalgesetzgebung".

Ähnlich, sehr geehrte Damen und Herren, hat sich auch der Tiroler ÖVP-Landeshauptmann Weingartner ausgedrückt, der sagte, das Strafrecht sei "Ausdruck des gesellschaftlichen Willens und ungeeignet für politische Signale".

Sehr geehrten Damen und Herren! Dabei sollte es uns allen darum gehen, die Beeinträchtigung der Menschen in unserem Lande durch Kriminalität so niedrig wie möglich zu halten, Kriminalität bestmöglich zu bekämpfen – und nicht darum, mit billigen Schlagworten Stimmung zu machen, wobei derjenige, der solche Schlagworte verwendet, innerlich sehr oft sehr genau weiß, dass das, wovon er spricht, Unsinn ist. Eine solche Politik lehnen wir Sozialdemokraten grundsätzlich und zutiefst ab. (Beifall bei der SPÖ.)

Wir lehnen auch ab, sehr geehrten Damen und Herren, dass die gerade eingeführte Diversion, zu der sich auch die ÖVP voll und ganz bekannt hat, gleich wieder abgeschafft oder drastisch eingeschränkt wird. Und wir lehnen auch ab, dass die Volksanwaltschaft zu einem Kontrollorgan über die unabhängige Justiz gemacht wird.

Das heißt aber nicht, dass wir nicht auch die Missstände in der Justiz kennen und Lösungen suchen, um diese abzustellen. Wir müssen nach Wegen suchen, die Verfahrensabläufe in der Justiz zu beschleunigen, um Verzögerungen zu verhindern.

Mit dem von der Regierung vorgeschlagenen Weg würde aber das Kind mit dem Bade ausgeschüttet werden, und es würde das außerdem gar keine Verfahrensbeschleunigung bringen. Auch wäre es dann so, dass eine Verfahrenspartei praktisch mit der Volksanwaltschaft im Rücken agieren würde und die andere nicht, womit auch das Prinzip der Waffengleichheit verletzt würde.


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