Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 28. Sitzung / Seite 30

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nern und Frauen, vor allem bei der Erwerbsquote, viel zu groß ist, verschweigen Sie gerne. (Beifall bei den Grünen.)

21 Prozentpunkte Unterschied – das ist zu viel für einen entwickelten Industriestaat, und das ist auch zu viel, um die Stabilität der sozialen Systeme abzusichern. Es ist pure Ideologie, wenn Sie weismachen wollen, dass die aktuelle Absicherung der sozialen Systeme mit künftigen, vielleicht erst in Zukunft auf die Welt kommenden Kindern zu erreichen ist. Tatsächlich steht und fällt das soziale System mit der Zahl der Beitragszahlerinnen, das heißt mit den Chancen der Frauen auf dem Arbeitsmarkt. Aber wenn Sie das nicht zur Kenntnis nehmen, dann müssen Sie zu unglaublich drakonischen Maßnahmen greifen, die die Systemgerechtigkeit weiter verschlechtern werden.

Es gibt im Wesentlichen zwei große Systeme im Bereich der sozialen Sicherheit: eine stärkere Ausrichtung nach dem Versicherungsprinzip oder eine stärkere soziale, solidarische Umlagekomponente. Sie haben sich soeben im Rahmen Ihrer Ausführungen für ein stark solidarisches Element ausgesprochen. Ich halte das im Prinzip auch für wünschenswert, nur frage ich Sie: Wo kommt das zum Ausdruck?

Es könnte diesem Prinzip nur dann Rechnung getragen werden, wenn wir im Bereich der sozialen Sicherheit jedes Individuum, jede Frau, jeden Mann und natürlich auch jedes Kind, als Person berücksichtigen. (Beifall bei den Grünen.)

Es ist ein überkommenes Prinzip, und es werden Ungerechtigkeiten nur vergrößert, wenn man Individuen, Menschen, Einzelpersonen nur noch oder überwiegend in ihrer Rolle im Familienverband sieht. Dann schreibt man Ungerechtigkeiten fort! (Neuerlicher Beifall bei den Grünen.)

Sie wissen das! Diese Ansicht belegt auch eine Studie, die im Sozialministerium in seiner alten Ressortaufteilung erstellt worden ist. Ich zitiere wörtlich aus dieser Studie, die die Hemmnisse der Frauenerwerbstätigkeit analysiert. Zitat:

Da Länder mit einer höheren Erwerbsquote der Frauen tendenziell andere Sozialsysteme haben, kann gefolgert werden, dass im Sozialsystem Potentiale liegen, die bisher in Österreich nicht genutzt wurden. Traditionell war das Ziel der Sozialpolitik weniger die Einbeziehung von Frauen ins Erwerbsleben als die Absicherung der Individuen in der Familie beim Entfall von Erwerbseinkommen. – Zitatende.

Das heißt, dass schon bisher daran Kritik geübt wurde, dass Frauen zu wenig als eigenständige Persönlichkeiten sozial abgesichert worden sind, sondern in ihrer Rolle im Familienverband.

Aber was tut diese Bundesregierung? – Genau dieser Punkt, der auf der europäischen Ebene und von den WissenschafterInnen in Österreich gerügt worden ist, genau dieses Element wird jetzt verstärkt! (Beifall bei den Grünen.)

Ich sehe auch keine Möglichkeit, das, was die Bundesregierung plant, auf verfassungskonformem Weg umzusetzen, und ich warne davor, Eingriffe in ein zwar korrekturbedürftiges, aber gar nicht so schlechtes soziales System zu machen, ohne dass man eine klare Philosophie über die künftigen Grundprinzipien hat.

Wenn Sie sich jetzt daranmachen, etwa das Karenzgeld – bisher überwiegend eine Leistung der Arbeitslosenversicherung und damit stärker dem Individualprinzip verhaftet, ein Ersatz für entfallenes Arbeitseinkommen –, eine Leistung der Arbeitslosenversicherung, zu einer Familienleistung des Familienlastenausgleichsfonds zu machen ... (Abg. Kampichler: Wir zahlen 75 Prozent!)

Es werden Beiträge gezahlt, aber die rechtliche Konzeption ist die einer Versicherungsleistung. Meine Frage lautet: Welche Systementscheidung würde eine möglichst hohe Frauenerwerbsquote und damit ein europäisches, von Österreich akzeptiertes Prinzip sicherstellen und gleichzeitig dem Anliegen der Vereinbarkeit von Beruf und Familie dienlich sein?


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