Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 28. Sitzung / Seite 97

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Präsident Dr. Heinz Fischer: Meine Damen und Herren! Wir gelangen nunmehr, wie angekündigt, zur Behandlung der Dringlichen Anfrage 812/J.

Diese ist inzwischen im Sitzungssaal verteilt worden, und es erübrigt sich daher eine Verlesung durch den Schriftführer.

Die Dringliche Anfrage hat folgenden Wortlaut:

"Die von der Bundesregierung im Rahmen des Bundesfinanzgesetzes 2000 und des Budgetbegleitgesetzes 2000 beschlossenen Belastungspakete treffen gezielt kleine und mittlere Einkommensbezieher, Unselbständige und Konsumenten. Dagegen sind für Großbauern, Großunternehmer und Hausherren zusätzliche Begünstigungen vorgesehen, die in den kommenden Jahren noch wesentlich erhöht werden sollen. Durch die von der Regierung beschlossenen und zusätzlich geplanten Maßnahmen wird das Ziel der sozialen Ausgewogenheit und Verteilungsgerechtigkeit drastisch verfehlt. Im Gegenteil: Viele Maßnahmen sind bewusst so konstruiert worden, dass zwangsläufig negative Verteilungswirkungen ausgelöst werden.

Die Erhöhung von Steuern und Gebühren im Ausmaß von jährlich 14,4 Mia ATS, zu der im kommenden Jahr weitere Gebührenerhöhungen in Milliardenhöhe kommen sollen, macht die Einkommensverbesserung rückgängig, die sich durch die von der SP-VP-Regierung beschlossene Steuerreform 2000 ergeben hätte. Es erscheint besonders absurd, dass eine Regierung, die Steuern und Gebühren im Ausmaß von mindestens 14,4 Mia ATS erhöht, sich mit den positiven Folgen der Steuerreform 2000 brüstet, gegen welche die Abgeordneten der FPÖ im Juni 1999 gestimmt haben.

Die Steuerreform 2000 hat vor allem untere Einkommensgruppen begünstigt. Dieser Effekt ergab sich im wesentlichen aus der Erhöhung des allgemeinen Absetzbetrages. Bei einem Bruttobezug pro Monat von 13 000 ATS liegt die prozentuelle Entlastung des Einkommens bei 2,2 Prozent. Bei einem Bruttobezug von 100 000 ATS liegt die prozentuelle Entlastung des Einkommens nur bei 0,5 Prozent. Dieser progressive Effekt der Steuerreform 2000 war nur möglich, weil die SPÖ gegen den heftigsten Widerstand der ÖVP nicht nur eine Senkung des Einkommensteuertarifs, sondern die Erhöhung des allgemeinen Absetzbetrages durchsetzen konnte.

Den unteren und mittleren Einkommensgruppen, die von der Steuerreform 2000 besonders profitiert haben, werden diese Einkommenszuwächse nun gezielt weggenommen. Die Erhöhung der Tabakabgabe, der Elektrizitätsabgabe, der motorbezogenen Versicherungssteuer und die Gebührenerhöhungen belasten in erster Linie das untere Einkommensdrittel der österreichischen Haushalte. Experten des Österreichischen Instituts für Wirtschaftsforschung haben berechnet, dass durch die Belastungspakete der Bundesregierung das untere Einkommensdrittel 1,6 Prozent seines Einkommens verlieren wird, das mittlere Einkommensdrittel 1,1 Prozent und das oberste Einkommensdrittel 0,8 Prozent. Das heißt: die unteren Einkommensbezieher werden gezielt doppelt so stark belastet wie die obersten Einkommensbezieher.

Auch die im Sozialbereich angekündigten Maßnahmen werden in hohem Maße negative Verteilungseffekte auslösen. Da die Pensionisten in Österreich überwiegend zum einkommensschwächeren Teil der Bevölkerung zählen (die Hälfte zählt zum unteren Einkommensdrittel der Haushalte, ein Viertel zum mittleren Einkommensdrittel) werden die angekündigten Pensionskürzungen vor allem einkommensschwächere Gruppen treffen. Das gleiche gilt für steigende private Ausgaben für die Gesundheit, da das untere Einkommensdrittel 4,1 Prozent seines Einkommens für Gesundheit ausgeben muss, das obere Einkommensdrittel nur 2,4 Prozent.

Andererseits gehören die großen Unternehmer, die Großbauern und die Hausherren zu den Gewinnern der Regierungspolitik. Die LKW wurden von der Erhöhung der Versicherungssteuer ausgenommen, die Unternehmer wurden von der Erhöhung der Energieabgabe ausgenommen und die im Rahmen der Steuerreform 2000 beschlossenen Regelungen bezüglich der Aktiengewinnbesteuerung und der Börsenumsatzsteuer werden zunächst aufgeschoben, wahrscheinlich aber überhaupt aufgehoben.


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