Nationalrat, XXI.GP Stenographisches Protokoll 28. Sitzung / Seite 107

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gesagt – ein teures Medikament von einem Tag auf den anderen nicht mehr genehmigen konnte, weil sie an diesem Tag 70 Jahre alt geworden ist. – Das ist der eigentliche soziale Skandal, und nicht das Anheben der Rezeptgebühr von 45 auf 55 S, meine Damen und Herren! (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Für mich ist es sozial gerecht, wenn wir für ein krebskrankes Kind, das für seine Heilung eine Spezialklinik in Übersee braucht, die Kosten, die Hunderttausende Schilling betragen können, ersetzen. Das ist für mich sozial gerecht. Oder auch, wenn wir jemandem, der multiple Sklerose hat, die Chance geben, mit Hilfe eines teuren Medikamentes vielleicht Monate oder Jahre lang ohne Schmerzen zu leben. Aber im Gegenzug muss es erlaubt sein, die Frage zu stellen, ob man nicht für einen Spital- oder Ambulanzbesuch 150 S als Selbstkostenbeitrag bezahlen kann.

Meine Damen und Herren! Das ist für mich soziale und solidarische Gerechtigkeit: dass wir hier die Balance halten und nicht einfach wohlerworbene Privilegien verteidigen. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Gleiches gilt natürlich auch für das Arbeitsrecht. Kann mir jemand erklären, wieso es ein eigenes Berufsrecht für Hausbesorgerinnen und Hausbesorger geben muss, nicht aber für Krankenschwestern? Warum muss es ein eigenes, ein besseres Pensionsrecht für Eisenbahner als für Lehrer geben? – Sozial gerecht ist für mich, das Ganze zu sehen und nicht in jedem Einzelfall an einem Privileg, das wohlerworben sein mag, festzuhalten, obwohl es in der heutigen Zeit wichtiger ist, an das Ganze und an die ganze Gesellschaft zu denken. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Das nenne ich Kreativität: Wenn wir ein solches solidarisches Modell entwickeln, das den Schwächeren und jenen, die wirklich Schutz in der Gesellschaft brauchen, hilft und dennoch die gesamtwirtschaftlichen Stabilitätsziele nicht gefährdet.

Sie haben in der Anfragebeantwortung geschrieben, Sie seien über die Entwicklung besorgt. Das wäre ich an Ihrer Stelle auch, wenn ich die Kritik von Professor Frisch – das ist nicht einer, der der ÖVP oder der FPÖ nahe steht – in diesen Tagen lesen würde. Der alten Regierung, vor allem Finanzminister Edlinger, warf Frisch vor, 1998 und 1999 habe es einen absoluten Stillstand in der Budgetkonsolidierung gegeben. – Da wäre ich auch besorgt, aber nicht, weil diese Regierung jetzt einen vernünftigen Budgetkurs fährt, sondern weil Sie jahrelang eigentlich die Zügel schleifen haben lassen und wir leider jetzt die Dinge in die Hand nehmen müssen und sie hoffentlich auch gut und richtig besorgen werden. (Beifall bei der ÖVP und den Freiheitlichen.)

Nun zu Ihren konkreten Anfragen.

Die erste Frage geht dahin, ob wir die Meinung der EU-Gremien teilen, dass das Konsolidierungserfordernis in der laufenden Legislaturperiode geringer wäre, wenn es zu keinen zusätzlichen Ausgaben wie höhere Militärausgaben, Karenzgeld für alle oder zusätzliche nationale Fördermittel für die Bauern käme, und so weiter.

Dann kommen noch die Lohnnebenkosten und zusätzliche Einnahmen – ganz abgesehen davon, dass nicht alle diese Einnahmen für die Budgetsanierung zur Verfügung stehen oder jedenfalls nicht dauerhaft, sondern zweckgewidmete Mittel entweder für die Familien oder für Unfälle oder für die Krankenversicherung sind und daher nicht einfach umgewidmet werden können, so wie Sie es glauben oder wollen. (Abg. Edlinger: Doch!)  – Genau das ist ja der Punkt: Selbstverständlich!, sagt Rudolf Edlinger. Das ist ja der große Graben, der uns trennt. Wir glauben, dass die Mittel zweckgewidmet für jene Begünstigten eingesetzt werden müssen, für die man auch die Beiträge einhebt, und man nicht willkürlich umverteilen kann.

Wir glauben, dass wir einen großen Konsolidierungsbedarf haben, das ist wahr. Wir wissen auch, dass wir nach den ersten 100 Tagen, in denen wir praktisch nur ein Sofortbudget für 2000 gemacht haben, eine sehr sorgsam strukturierte Gesamtreform für die ganze Periode vorlegen müssen. Ich sage Ihnen auch, es kann nicht unser Ehrgeiz sein, dass Österreich Schlusslicht der Euro-11 bleibt. Das kann für eines der reichsten Länder Europas kein Ziel sein.


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